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Wir vom Brunnenplatz

Wir vom Brunnenplatz

Titel: Wir vom Brunnenplatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Fehér
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hatte, sagte Kerim, wir sollten jetzt besser aufhören, sonst würde ich morgen schlimmen Muskelkater haben. Ich winkte zwar ab, aber insgeheim war ich froh, nicht noch einmal rennen zu müssen. Ich musste auch immer noch an den Brief denken und war nicht ganz bei der Sache.
    »Hast du Angst, dass Olli bald schneller ist als du?«, fragte Emma, aber Kerim zeigte ihr einen Vogel.
    »Quatsch«, widersprach er. »Olli kann gar nicht schnell genug sein. Wenn unserer Bande mal Gefahr droht zum Beispiel. Übrigens müsstet ihr mal sehen, wie Violetta flitzen kann. Aber die hat ja auch Beine wie eine Giraffe.«
    Ich schluckte. Langsamer sein als Violetta wollte ich auf keinen Fall. Sonst würde sie noch über mich lachen.
    »Fahrstuhlwettrennen können wir ja auch mit den anderen mal spielen«, schlug ich vor. »Das ist bestimmt noch lustiger und, Emma - ich wette, schneller als Celina bist du auf jeden Fall. Und die Meckerliese kann uns nicht erwischen. Die wohnt ja nicht in unserem Haus.«
    »Dafür aber der Hausmeister«, warnte mich Kerim. »Mit dem ist auch nicht zu spaßen. Er ist aber nicht immer da.«
    Wir fuhren dann noch einfach so mit dem Fahrstuhl auf und ab und hielten in fast jeder Etage einmal an. Von jedem Fenster aus sah der Brunnenplatz anders aus, obwohl alle die gleiche Ausrichtung hatten. Im ersten und zweiten Stock konnten wir noch ganz genau beobachten, was die Leute unten machten. Sogar die Brotstückchen, die eine alte Frau ein paar Spatzen hinwarf, konnten wir erkennen. Aber je höher wir kamen, desto schwieriger wurde es. Dafür versuchten wir zu erspähen, was hinter den Fenstern der gegenüberliegenden Häuser gerade passierte. Leicht war das nicht, denn zwischen unserem Haus und ihnen lag ja der ganze Platz mit dem Springbrunnen darauf und den Bänken drum herum. Aber ein Fenster war offen, und ein alter Mann hatte sich ein Kissen aufs Fensterbrett gelegt und stützte seine Arme darauf, um es beim Rausgucken gemütlicher zu haben. Ein Fenster in der sechsten Etage wurde gerade von einem Mädchen mit Blumen aus Window Color beklebt. Und im neunten Stock schüttelte eine Frau ein Kopfkissen aus.
    »Wir müssten ein Fernglas haben«, überlegte ich laut. »Dann könnten wir die Leute richtig beobachten.«
    Kerim schlug mir auf die Schulter. »Am besten abends, wenn es draußen dunkel ist, in den Zimmern aber überall Licht brennt! Dann könnten wir alles sehen, was die Leute machen, sogar einen Mord aufklären!«
    Emma zuckte zusammen. »Du meinst, hier passieren Morde?«, fragte sie zaghaft.
    »Bisher nicht«, entgegnete Kerim. »Aber man weiß ja nie. Ein Fernglas wäre jedenfalls genial.«
    Im Moment hatten wir aber noch keins. Dafür beobachteten wir im zwölften Stock eine Frau, die ihr Küchenfenster aufriss und einen Topf aufs Fensterbrett stellte, aus dem schwarzer Rauch quoll.
    »Seht ihr!« Kerims Stimme klang aufgeregt. »Wenn sie jetzt zum Beispiel vergessen hat, den Herd auszuschalten, kann es da oben ganz schnell anfangen zu brennen. Und wenn wir das mit dem Fernglas als Erste sehen und die Feuerwehr rufen, sind wir richtige Helden!«
    Emma sagte, dass sie das auch gerne sein wolle, und gerade wollte ich hinzufügen, dass mein Vater uns vielleicht sein Fernglas borgen kann, da wurde einige Etagen unter uns die Tür aufgezogen.
    »Was ist denn das für ein Lärm!«, polterte eine Männerstimme. Gleichzeitig waren humpelnde Schritte zu hören, die näher kamen. »Das Treppenhaus ist nicht dazu da, um Kindergeburtstag zu feiern!«
    Ich erschrak und wollte mich gegen eine Wand drücken, damit der Mann mich nicht sehen konnte, aber dann spähte ich doch durch den vergitterten Fahrstuhlschacht nach unten.
    »Der Hausmeister«, flüsterte Kerim, und da entdeckte ich ihn auch schon. Der Hausmeister sah ein bisschen unheimlich aus mit den tiefen Falten in seinem Gesicht und den trüben Augen, die unter dichten Brauen zu uns nach oben starrten. Seine Haare klebten ihm in öligen Strähnen am Kopf und sahen aus, als hätte er sie schwarz gefärbt. Zu seiner blauen Latzhose trug er schwarze Schuhe, von denen einer doppelt so dick aussah wie der andere. Mit denen humpelte er ein paar Stufen aufwärts, blieb dann aber stehen und schnaufte. Ich hörte, wie er aus seiner Hosentasche eine Streichholzschachtel zog, sie aufschob und ein Zündholz an der rauen Außenfläche rieb. Gleich darauf begann es im Treppenhaus nach Zigaretten zu stinken und ich dachte, dass der geheimnisvolle Brief schon mal

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