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Wir waren nie Freunde

Wir waren nie Freunde

Titel: Wir waren nie Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Casta
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stillen Wald ausgesandt wird, und zum Schluss habe ich das Gefühl, ich würde es nicht mehr so richtig hören. Es ist nur einfach da, am Rande meiner Gedanken. Ich denke, dass Philip und Manny sicher kommen, wenn sie soweit sind. Philip ist immer schon seine eigenen Wege gegangen. Ich erinnere mich daran, als ich das erste Mal bei ihm zu Hause war.
    Zuerst hatte ich fast geglaubt, ich wäre falsch gelaufen. Alles war so schön, so geordnet. Philips Haus ist sehr viel größer als unser Reihenhaus, irgendwie selbständiger. Seine Mutter öffnete. Sie heißt Maj und lächelte mich an, sie sah nett aus. Aber später merkte ich, dass sie nicht nett, sondern freundlich war. Übertrieben freundlich. Ich bin es gewohnt, so behandelt zu werden.
    Ich bin es gewohnt, auf die verschiedensten Arten behandelt zu werden. Aber mit Philips Mutter war es etwas Besonderes. Mitten in dieser Freundlichkeit ist sie irgendwie abwesend. Wenn sie einmal mit Philip und mir sprach, dann tat sie das geradezu aus einer anderen Dimension heraus.
    Sie arbeitet zu Hause und verschwand in einem Zimmer, in dem ich einen Computer und jede Menge Bücher sehen konnte. Erst dachte ich, sie wäre eine Schriftstellerin, aber Philip erklärte mir, dass sie Übersetzerin ist. Sie übersetzt Bücher aus dem Deutschen. Er zeigte mir einige im Bücherregal im Wohnzimmer. Es waren Bücher über Topfpflanzen und Schönheitspflege, über Wohnungseinrichtung, alles so etwas.
    Philips Vater ist Pilot, aber nicht bei der SAS, sondern bei Airbizz, einer kleinen Fluggesellschaft, die verschiedene Routen fliegt. Er kam spätabends nach Hause. Wir hatten Karten auf dem Küchentisch ausgebreitet und eine ganze Tüte mit Zwieback ausgekippt, den wir zusammen mit Käse aßen, sodass natürlich überall die Krümel herumlagen.
    Zuerst begriff ich nicht, wer er war, denn er sah etwas älter aus. Vielleicht lag es auch an der Kleidung. Er trug irgend so ein blauschwarzes Jackett und eine Mütze, sodass ich zuerst glaubte, er wäre Busfahrer. Philip lachte, dass er fast tot umfiel, als ich ihm das erzählte. Deutlich älter als Jim schien er auf jeden Fall zu sein. Später stellte ich fest, dass auch Maj älter ist als Kristin. Aber bei ihr war das nicht so deutlich zu sehen. Das war eher ihre Art sich zu verhalten, wie der Flieger und sie miteinander umgingen. Sie waren so höflich, so vorsichtig. Das war wie in einem alten schwedischen Spielfilm.
    Ich überlegte, ob Maj und der Flieger eigentlich wussten, wer Philip war, ob sie etwas von seinen Träumen und Ideen verstanden. Vielleicht war er eher so etwas wie ein Haustier für sie.
    Ich wache davon auf, dass es in einem Baum in der Nähe knackt. Zuerst nehme ich an, es ist die Eule, die davonfliegt.
    Ich bleibe schweigend liegen und horche. Schaue mich um, aber alles ist nur dunkel. Ich nehme an, dass Tove und PM schlafen. Ich strecke die Hand aus und fühle etwas, das meine Hand zu kennen glaubt. Das ist Tove. Da knackt es wieder. Dieses Mal direkt vor dem Windschutz. Ich meine hören zu können, wie die Zweige in einem der Bäume hinter mir sich wiegen.
    Vorsichtig setze ich mich auf, lausche. Irgendein Tier muss das ja wohl sein. Können das Vögel sein?
    Ich frage mich, warum Philip und Manny noch nicht wieder hier sind.
    Als es in einem Baum etwas weiter weg rumst, beschließe ich, dass es sich auf jeden Fall um Vögel handeln muss. Ich bin mir fast sicher, das Geräusch von schweren Flügeln gehört zu haben, die zwischen den rauen Fichten herangeflattert kamen. Können das Auerhähne sein? Schon möglich. Woher soll ich das wissen?
    Ich lasse mich in das kuschlige Nadelbett zurückfallen. Philip kommt sicher bald, denke ich.
    Später liege ich wach da. Die Luft ist kühl. Ich meine sie an meiner Haut zu spüren, wie eine feuchte Plastikfolie. Ich überlege, ob ich wohl meinen Rucksack finden und mir eine Scheibe Brot herausholen könnte, gebe den Plan aber bald wieder auf. Die Gedanken wirbeln mir durch den Kopf. Wie es wohl zu Hause läuft? Warum ist Jim im Augenblick immer so sauer? Man sollte wie Toves Oma leben, mitten im Wald. Und später, später ist nur noch Tove in meinen Gedanken, und dieser Sonntag, dieser verzauberte Sonntag, als wir zusammen waren, nur sie und ich.
    Der weiße Sonntag    Es wurde wieder Winter, aber die Sonne strahlte an diesem Tag ganz außergewöhnlich stark, alles wurde merkwürdig hell, kräftig und neu, schlug mir entgegen, blendete mich: Mir klatschte geradezu die ganze Stadt ins

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