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Wir waren nie Freunde

Wir waren nie Freunde

Titel: Wir waren nie Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Casta
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ihm. Bietest ihm eine Zigarette an. Philip schüttelt den Kopf. Er raucht nicht, Criz. (Das weißt du selbst.) Du nimmst dir eine, suchst in der Tasche nach einem Feuerzeug. Du hast so viele, Criz. Du stößt eine Wolke weißen Rauchs aus, die wie ein kleiner Luftballon aufsteigt, bis sie vom Wind zerrissen wird. Da muss ich wieder ans Feuer denken. An die Worte, die vor einer Weile in meinem Kopf aufgetaucht sind. Ja, es beginnt langsam klarer zu werden. Langsam, ganz langsam. Ich habe eine Stimme gehört, die rief: »Stich doch zu!« Warst du das, Criz? Ich habe das gedacht. Ich habe gedacht, dass es deine Stimme war, die rief: »Stich doch zu!«
    War das ein Zeichen deiner Rastlosigkeit, Criz? Wolltest du nur, dass endlich etwas passiert? Dass es ein bisschen action geben sollte? Ich habe mir überlegt, dass es so sein kann.
    Ist das Leben wirklich so banal?
    PM kommt allein. Das verwundert mich ein wenig. So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Ist es mit Manny vorbei? Ist er deiner überdrüssig geworden, PM? Ich weiß, dass du vielleicht diejenige bist, die am meisten gelitten hat. Dass es seine Zeit dauern wird, bis du wieder die Alte sein wirst. Wer immer du auch bist, PM. Ich kenne dich nur als die Königin von McDo. Und als PiaMaria mit den Brüsten, wie wir dich genannt haben, als wir noch kleiner waren. Du warst das erste Mädchen, das einen Busen gekriegt hat.
    Ich sehe, wie du dich zu Ronja hockst, wie du ihr die Arme um den Hals legst, wie sie dein Gesicht ableckt. Du hast Tiere immer am meisten geliebt, PM. Tiere immer mehr als Menschen.
    Du tust mir leid, Pia-Maria. Das ist wohl das Einzige, was ich zu sagen habe. Du tust mir so schrecklich leid.
    Dann kommt Manny. Das habe ich schon lange im Gefühl gehabt, Manny, dass du derjenige bist, der sich am meisten verändert hat. Nicht nur, weil dein Haar wieder lang gewachsen ist. Du bist anders. Ruhiger. Ich erkenne dich nicht so recht wieder, aber ich weiß, dass ich das noch nie getan habe. Ich habe dich noch nie wirklich gekannt.
    Jetzt begreife ich, dass du derjenige bist, der am meisten gelernt hat.
    Jetzt, wo ich dich sehe, finde ich es noch offensichtlicher. Dieser verschlafene Zug ist weg.
    Ich habe das Gefühl, als würdest du in deinen großen Körper hineinwachsen, als würdest du die Kontrolle über all die starken Eigenschaften gewinnen, die du in dir trägst, Manny.
    Ich fange an einzusehen, dass du bei weitem nicht so blöd bist, wie ich gedacht habe. Das war vielleicht alles nur ein Teil von dem, was eines Tages deine Persönlichkeit werden wird. Diese Schmalspurigkeit wird vielleicht einmal deine Eintrittskarte sein.
    Eines Tages wirst du Direktor oder Politiker sein. Du wirst über andere Menschen bestimmen. Sie leiten. Schließlich begreife ich, dass du, Manny, es tun wirst. Du wirst eine Führerperson werden, nicht Philip. Du wirst jemand werden, von dem die Leute reden. Und als ich darüber nachdenke, würde ich am liebsten anfangen zu heulen. Was am Ende zurückbleibt, ist nur noch Trauer über den Zustand der Welt. Ich erinnere mich daran, wie du mich mit dieser Stange geschlagen hast. Und wie du dich hinterher vor mir aufgebaut und mich angepisst hast. Die Bilder sind jetzt entwickelt. Lange Zeit lagen sie tief innen in den merkwürdigen Windungen meines Gehirns. Ich habe sie gefunden. Ich habe sie durchgeblättert. Ich sehe, dass solche wie du die Gewinner sein werden. Denn es sind die Starken, die auf der Erde siegen.
    Tove, my Love! Unglaubliche, unschuldige Tove! Jetzt, als du endlich mit fuchsleichten Schritten über den Bürgersteig angeschlichen kommst, spüre ich, wie mein Herz anfängt zu applaudieren. Ist das nicht merkwürdig, nach allem, was passiert ist? Nach allem, was ich durchgemacht habe? Was du durchgemacht hast? Dass die Liebe das intensivste Gefühl ist. Dass du mich immer noch so stark berührst. Etwas in mir liebt etwas in dir. Weißt du, was ich mich vor kurzem gefragt habe: Kann man eigentlich unzählige Male lieben, oder hat man nur eine bestimmte Anzahl zur Verfügung, und danach wird es immer schwächer und man fühlt immer weniger? Und wenn dem so ist, beginnt dieser Prozess bereits nach fünf Mal oder erst nach fünfhundert Mal?
    Oder gibt es nur ein einziges Mal, an das man sich für alle Zeiten erinnert? Das erste Mal?
    Weißt du, was ich gemacht habe? Ich habe ausgerechnet, dass man, wenn man ein normales Leben führt und wie Kristin und Jim einmal in der Woche miteinander schläft (jeden

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