Wir waren nie Freunde
sehr in deinen Videofilmen spiegelst. Findest du in ihnen das, was du suchst?
Kristin sagt, dass wir die erste Generation sind, die ohne erwachsene Vorbilder aufwächst. In der Welt der Teenager fehlen die Erwachsenen. Früher lebten alle Generationen zusammen. Man lernte voneinander, half einander. Jetzt lebt jede Generation in ihrer eigenen kleinen Welt.
Wir sind allein, PM. Wir sind in eine kalte Welt hinausgestoßen worden, in der es darum geht, allein klarzukommen.
Gestern Abend stand ich auf der Straße vor deinem Haus. Ich sah, dass wieder Licht in deinem Zimmer war. Ich hoffe, du findest deine Rolle, hoffe, dass du deine PiaMaria findest.
Ich knülle das Papier zusammen und zünde es an. Als es brennt, werfe ich es in den Papierkorb vor der Galleria. Dort fängt es richtig Feuer, und schon nach wenigen Sekunden schlagen die Flammen hoch. Ich bleibe stehen und starre auf das Feuer. Ich spüre es in meinem ganzen Körper. Es ist, als wäre ich derjenige, der brennt. Und mir wird klar, dass es vielleicht so sein muss, dass ich durch das Feuer gehen muss. Geradewegs durch das Feuer. Jetzt nicht umkehren, nicht zurückweichen oder versuchen auszuweichen. Einfach nur frisch drauf zu, direkt durch das Feuer, Kim! Einige Sicherheitsleute kommen aus dem Downtown hergelaufen. Aber da bin ich bereits bei Bokman drinnen. Bei McDo habe ich Hausverbot.
Warum habe ich nichts gesagt?
Erst jetzt, wo ich denke, dass ich langsam wieder klar sehen kann, wo mein Schlachtplan endlich Formen annimmt, da taucht die Frage auf. Sie überrumpelt mich vollkommen, wie ein Tritt in den Rücken.
War es richtig, nichts zu sagen?
Ich weiß nicht, warum ich plötzlich anfange daran zu zweifeln. Vielleicht gibt es nichts, was wirklich richtig ist. Und in dem Fall: Gibt es etwas, was wirklich falsch ist? Jim sagt immer, dass wir alles, was wir tun, nur aus egoistischen Gründen tun. Wir handeln in erster Linie, um unsere eigenen Bedürfnisse zu befriedigen, damit es uns gut geht. Unsere Instinkte sind nun einmal so.
Zuerst habe ich das nicht verstanden. Kristin auch nicht. Sie haben sich so oft darüber gestritten. Jim meint, dass auch Menschen, die arbeiten, um anderen zu helfen, dafür ganz egoistische Motive haben. Wenn man sich für andere aufopfert, dann tut man das, weil man selbst sich besser fühlt, wenn man es tut.
Die Welt ist nicht schwarzweiß. Alles ist voller Nuancen, alles enthält eine Vielfalt an Möglichkeiten, an Alternativen.
Wir sind immer noch Tiere. 98,6 % unserer Gene sind vollkommen identisch mit denen der Schimpansen. Wo ist da der Unterschied?
Als der Hubschrauber auf dem Berg gelandet war, dachte ich, ich müsste sterben. Dass die Rettung zu spät gekommen war. Ich dachte, ich hätte schon Tage und Nächte dort gelegen, an meinem Feuer. Es dauerte ziemlich lange, bis ich akzeptierte, dass das nicht stimmte. Ich war ohnmächtig gewesen, immer nur zeitweise zu Bewusstsein gekommen. Ja, ich hatte Feuer gemacht, ein ziemlich großes Feuer, etwas von einem Hasen gegessen, und es war mir geglückt, zu dem Moor hinunterzukommen, um dort zu trinken. Sie sagten mir, dass ich meine Krise in einer vorbildlichen Weise gemeistert hätte. Ich begriff nicht so recht, wie sie das meinten.
All das andere, was ich erlebt hatte, war das nur Phantasie gewesen, Halluzination?
Ich wusste es nicht.
Der Arzt, der im Hubschrauber dabei war, untersuchte mich gründlich. Ich bekam sofort eine Infusion. Daran erinnere ich mich nur noch wie im Nebel. Wie ich auf eine Trage gelegt, in den Hubschrauber getragen werde und dann von allem wegschwebe.
Ich nehme an, dass ich eine schmerzstillende Spritze bekommen habe. Danach ist alles schwarz.
Hinterher wurde mir klar, dass Philip mit auf dem Berg war. Dass er derjenige war, der die Rettungsmannschaft führte. Dass er kurz vor dem Zusammenbruch war, aus Erschöpfung oder aus welchem Grund auch immer. Ich kann mich nicht daran erinnern. Ich habe dich nicht gesehen, Philip. Es waren so viele Leute da. Plötzlich wimmelte der Berg nur so von Polizisten, bellenden Hunden und piepsenden Telefonen. Zuerst bekam ich Angst. Das war zu viel. So viele laute Geräusche nach der langen Zeit der Stille.
Als ich ins Krankenhaus kam, schlief ich tief. Eine Krankenschwester hat mir erzählt, dass es fünfzehn Stunden dauerte, bis ich aufwachte.
Kristin und Jim waren da. Sie machten sich natürlich Sorgen. Aber sie stellten nicht viele Fragen. Sie sind ziemlich klug. Zumindest, wenn es um Kinder
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