Wir wollen nicht unsere Eltern wählen: Warum Politik heute anders funktioniert (German Edition)
Partner – sei es nun aufgrund der Ausbildung, des Berufsfelds oder weil Frauen selbst dann ein geringeres Gehalt bekommen, wenn sie auf vergleichbaren Positionen arbeiten wie ihre männlichen Kollegen.
Letztlich ist das für Männer wie Frauen oft unbefriedigend. Häufig hat keiner von beiden in so einer Situation Lust darauf, für das Kind nur Wochenendbespaßung zu sein; ein Elternteil, der die ersten Schritte seines Kindes bestenfalls als Video aufs Smartphone geschickt bekommt. Ebenso wenig wollen viele gut ausgebildete Männer und Frauen jedoch die Karriere sausen lassen.
Viele von uns schlittern so in eine Situation, die uns in unserem Pragmatismus besonders unangenehm ist: Es geht dann auf einmal doch wieder um Ideologien, um große Lebensentwürfe. Jede Entscheidung, die Frauen und Männer in diesem Zusammenhang treffen, treibt sie näher an das eine oder das andere Lager heran: Eine Frau will nach der Geburt ein Jahr zu Hause bleiben, der Mann nimmt nur zwei Monate Elternzeit? Aha, reingetappt in die Traditionalistenfalle. Die Mutter geht nach einem halben Jahr wieder arbeiten, der Vater übernimmt? Augenrollen von Vollzeit-Muttis, die leicht überheblich sagen: «Ach, ich finde das ja ganz toll, dass du das machst. Aber ich möchte auf diese wichtige Zeit mit meinem Kind nicht verzichten.»
Und so fragen sich viele junge Eltern, ob ihr Lebensentwurf denn eigentlich der richtige ist. Anstatt sich einfach zu fragen: Bin ich glücklich oder nicht? Umfragen zeigen, dass die meisten Paare sich wünschen, beide ein bisschen weniger zu arbeiten und ein wenig mehr Zeit für die Familie zu haben. Aber gefördert wird meistens eher das Modell: Einer arbeitet «nur» Teilzeit (und wird damit im Ansehen der Kollegen oft zu einer Art Hilfskraft degradiert) und einer arbeitet dafür 150 Prozent. Muss ja Geld ins Haus. Und rechnen Paare ehrlich durch, was sie Kita und Nanny kosten, kann es oft sogar günstiger sein, wenn der geringer verdienende Partner gleich daheim bleibt. In den meisten Fällen ist das die Frau.
Die, die derart in die traditionellen Rollenmuster zurückfallen, sind häufig unzufrieden, weil sie ihren selbst gesetzten Anspruch auf Emanzipation und Gleichberechtigung nicht erfüllen. Sie bekommen täglich suggeriert, dass mit ihnen irgendwas nicht in Ordnung ist, dass insbesondere Frauen Gefahr laufen, beruflich abgehängt zu werden und dann, wenn der Mann tot oder mit einer Jüngeren durchgebrannt ist, im Alter ohne einen Cent Kohle dazustehen. Ihr werdet’s schon sehen, heißt es dann, den Fehler haben schon andere vor euch gemacht.
Kein Wunder also, dass solche Frauen relativ ungehalten auf Frauen reagieren, die diesen «Fehler» vermeiden und stattdessen auf die Karriere setzen. Die Argumente «Na ja, die hat ja auch eine Nanny/einen Mann zu Hause» oder «Die vernachlässigt halt dafür ihre Kinder» sind da schnell zur Hand.
Umgekehrt reiben sich Paare, bei denen beide arbeiten, zwischen Job und Familie auf, hetzen von der Kita ins Büro, wieder in die Kita und nach Hause. Zeit für die Beziehung bleibt da nicht. Sex? Fehlanzeige. Von Freunden ganz zu schweigen. Da ist es auch wiederum kein Wunder, dass sie stinkwütend werden, wenn Staatsmittel für Betreuungsgeld herhalten müssen anstatt für den Ausbau von Kitas und Co.
Plötzlich scheint es unmöglich, Kinder einfach mal zu bekommen – es steht wie so oft in unserem Leben gefühlt gleich mal eine Entscheidung über einen Lebensstil an, also letztlich über die Frage: Wer bin ich? Platz für das eigene Gefühl, die eigene individuelle Lösung ist da kaum, wir werden stetig hin- und hergeschubst, von einem Stereotyp ins andere. Inzwischen schwirrt den jungen Frauen und Männern nur noch der Kopf.
Die Medien greifen den neuen Kulturkampf bereitwillig auf: Die einen lästerten über Latte-Macchiato-Mums, die anderen bedauern, dass das traditionelle Familienmodell inzwischen verpönt sei; die nächsten mahnen uns hingegen, den Job nicht zu vernachlässigen – die Altersarmut! – und alle rätseln, ob ein früher Kita-Besuch nun gut oder schlecht für ein Kind sei, unterstützt von endlos vielen Studien, die mal das eine, mal das andere ergeben.
Den meisten von uns geht es in der Diskussion, ähnlich wie in der Parteienpolitik, nicht um große ideologische Fragen, um Rollenmuster, um theoretische Konzepte. Wir fühlen uns bereits gleichberechtigt – nur ist die Welt darauf noch nicht eingestellt. Die Politik mit ihren Gesetzen und
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