Wir wollen nicht unsere Eltern wählen: Warum Politik heute anders funktioniert (German Edition)
Regeln hat sich nun einmal auf die traditionelle Familie eingeschossen – mit Ehegattensplitting, kostenloser Mitversicherung –, und es fällt ihr unheimlich schwer, dieses Muster zu durchbrechen.
Auf jeden kleinen Durchbruch wie das Elterngeld folgt gleiche eine Gegenreaktion wie das Betreuungsgeld, die die Waagschale wieder in die alte Richtung drückt. Und traurigerweise hat sich daran auch in Zeiten von Rot-Grün nicht viel geändert. Wie auch bei einem Kanzler, der zum Regieren nur Glotze,
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braucht und Gleichstellungspolitik für «Gedöns» hält? Der – gemeinsam mit seinem Vizekanzler – bestimmte Männlichkeitsrituale vom Herumgepolter bis zur Machtdemonstration perfekt beherrschte?
Vor diesem Hintergrund erstaunt es kaum, dass in der vergangenen Legislaturperiode ausgerechnet das Betreuungsgeld zum politischen Streitthema Nummer eins mutierte, eine prinzipiell lächerlich geringe monatliche Geldleistung von 150 Euro, die eigentlich nichts ist im Vergleich zu den Summen, mit denen das Ehegattensplitting die traditionelle Versorgerehe subventioniert. Unsere Eltern hätte man damit nicht auf die Straße locken können. Da hätte es schon einen Krieg gebraucht. Wir hingegen liefen gegen die Pläne der Bundesregierung Sturm.
Es wollte einfach nicht in unseren Kopf, dass statt des Wiedereinstiegs in den Beruf das Zuhausebleiben gefördert werden soll. Wenn auch nur mit 150 Euro. Dass das Ganze auch noch mit «Wahlfreiheit» begründet wurde, schien besonders zynisch, da ja schon viele Jahrzehnte, und zwar bis heute, das Alleinverdienermodell staatlich bevorzugt wird: mit dem Ehegattensplitting, der kostenlosen Mitversicherung. Begünstigt auch von den teuren Betreuungsplätzen, die nur selten auf unsere Arbeitszeiten abgestimmt sind.
Obwohl das Ehegattensplitting eigentlich finanzielle Vorteile bringt, ist es vielen von uns unangenehm. Eine Bekannte – eine junge Ärztin, die mit einem Informatiker zusammen ist – erklärte mir einmal: «Irgendwie geht es gegen mein Selbstbewusstsein, wenn von meinem Gehalt auf einmal weniger übrig bleibt, wenn ich also weniger auf dem Konto habe, nur damit er mehr bekommt.» Junge Frauen sind heute nicht mehr einfach so bereit, Konten zusammenzuschmeißen und ihre finanzielle Selbständigkeit in den Dienst der Ehe zu stellen.
Deswegen geht es bei der Ablehnung des Betreuungsgeldes auch nicht so sehr darum, ob nun Familien, bei denen ein Partner zu Hause bleibt, 150 Euro mehr im Monat bekommen. Wir können uns ohnehin kaum vorstellen, dass 150 Euro mehr oder weniger die Entscheidung für oder gegen das Zuhausebleiben ernsthaft beeinflussen. Nein, die Wut entzündete sich daran, dass der Staat seine spärlich vorhandenen Geldmittel für etwas einsetzt, das an den Problemen der meisten Familien – also an der Lebenswirklichkeit der Jungen – schlicht nichts ändert. Studien zeigen Jahr für Jahr, beinahe Monat für Monat auf, was in Deutschland schiefläuft: Wir sind Schlusslicht beim Kinderkriegen, Schlusslicht in der Gleichberechtigung von Frauen, Schlusslicht in der Chancengleichheit von Kindern aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten. Und zwar nicht nur, aber doch zum großen Teil aus einem Grund: Weil das Bild von der Vollzeit-Mutti und die dazugehörige Struktur an Betreuungsangeboten nicht zu dem passt, wie sich junge Frauen selbst sehen.
Und da kommt eine Regierung, die uns allen Ernstes erzählt, sie wolle uns mit dem Betreuungsgeld «Wahlfreiheit» garantieren, dabei fehlt es dafür schon an den elementarsten Dingen: Kindertagesstätten mit den dazugehörigen Erziehern, Arbeitgeber, die sich um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie kümmern. Mitmenschen, die uns im Beruf anspornen, anstatt uns als Rabenmütter zu bezeichnen. Und Politikern, die uns zuhören.
Nun gibt es auch viele, die uns sagen: Habt euch nicht so! Ihr Frauen habt doch bereits die Wahl. Wir haben eine Bundeskanzlerin, mehr und mehr Landesregierungen werden von Frauen geführt, sogar die CSU hat inzwischen eine Frauenquote eingeführt. Und es stimmt ja auch, wir haben Angela Merkel, Hannelore Kraft und wie sie alle heißen.
Doch werden die Parteien häufig immer noch von Männern dominiert, selbst die gender- und quotenbewussten Grünen bringen es lediglich auf einen Frauenanteil von nicht einmal 40 Prozent. Nur knapp ein Drittel aller deutschen Bundestagsabgeordneten sind Frauen. Ähnlich sieht es in der Regierung aus: Von 15 Bundesministern sind
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