Wir Wunderkinder
Soldaten –!«
»Gut, Kirsten«, sagte ich daraufhin zu Ullis Verwunderung sehr entschlossen, »ich glaube, jetzt bin ich soweit, wie du mich haben willst. Wir leben, heis-sa, im Wunderland. Wir säen das Gras des Vergessens auf das große Grab Europa und marschieren mit Tschingbumm darüber hinweg. Ich will versuchen, deinen heiteren Roman zu schreiben!«
»Meinen? Unsern! Aber dann vergiß auch bitte nischt, daß er ein gutes Ende haben muß. Mansche Leute in den Buchhandlungen gucken ssuerst nach dem Schluß. Es wäre gut, wenn du da ein bißschen Glockengeläute anbringen könntest und Brautschleier und Frack, wie damals in Helsingör. Man trägt heute wieder Frack!«
Während sie das sagte, kullerte sie so scheinheilig mit ihren runden, schwarzen Augen, daß man meinen konnte, sie habe alle pseudomondänen Frauen- und Filmjournale und alle labbrige Schlagermusik dieser Zeit zu den Gesetzbüchern ihres Erdenwandels gemacht.
»Vergiß nicht, mein dänisches Wunderkind«, antwortete ich, »in Helsingör ist es bloß ein Leihfrack gewesen.«
»Das macht nischts. Man braucht es im Roman nischt ssu sehen. Außerdem ist unsere Edith siebssehn Jahre, und bis du mit deiner Ums-tändlischkeit mit dem Roman ssurechtkommst – was kann man wissen?«
»Um Gottes willen, Kirsten«, fragte ich jetzt ehrlich erschrocken, »willst du da am Ende wieder mal was organisieren?«
Aber meine Gillelejesche schüttelte den Kopf und sagte ein bißchen wehmütig:
»Dieses nischt, Lieber. Die Jugend heute organisiert sisch selber. Manchmal sogar die männlische!«
»Trotzdem könntest du mir zum Geburtstag einen elektrischen Rasierapparat schenken«, rief Ulli, der interessiert die Körperformationen der Fürstin Cuxamalcl auf der schicksalsschweren Illustrierten begutachtete.
»Wird gemacht!« erwiderte ich und beantwortete damit sowohl Ullis technischen wie Kirstens vorangegangenen ideellen Wunsch.
Jetzt wußte ich mit voller Gewißheit, daß ich über das eigene Leben berichten konnte, weil es in Altersbereiche gelangt war, in denen man sich selbst komisch sehen darf.
Denn wenn sich erst einmal die Söhne Rasierapparate wünschen, ist das für die ehrgeizigen Ewigkeitsansprüche ihrer Väter ebenso wie für ihre Wunschträume – soweit sie sich mit Mädchen auf nächtlichen Postamenten, auf heißen mittelmeerischen Inseln und in kattegattischen Mondnächten beschäftigen – unwiderruflich das
ENDE.
Weitere Kostenlose Bücher