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Wir zwei allein - Roman

Wir zwei allein - Roman

Titel: Wir zwei allein - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nagel , Kimche AG <Zürich>
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brennt. Dann wieder eine Kehre nach der anderen, weitere Kühe in den Weiden. Dann haben wir den Sattel und das Wiedener Eck erreicht. Unter uns das Münstertal. Und über uns thront der Schauinsland, hinter dem eine riesige schwarze Wolke aufsteigt, die um sich selbst kreist.
    Die Kinder können spielen, ohne überfahren zu werden, sagt der Dicke. Haben Sie jemanden dort unten?
    Meine Mutter, sage ich. Und ein paar Freunde.
    Er lacht. Endlich passiert mal was, sagt er. Eine ganze Stadt, meine Güte. Wie Rom, finden Sie nicht? Außerdem interessiert man sich endlich für uns. Man muss immer das Positive sehen. Ist mein Lebensmotto.
    Wir haben den Schauinslandgipfel erreicht. Die schwarzen Wolken. Da verschieben sich Schichten gegeneinander, und ein Glimmen strahlt sie von unten an, färbt sie rosa. Der Dicke fährt auf einen Parkplatz, wir steigen aus. Die Leute tummeln sich an einem Geländer, ein Junge drückt sein Auge in ein Touristenfernrohr. Achthundert Meter unter uns die Stadt, aus der das Glimmen aufsteigt. Man sieht keine Häuser, selbst dort, wo die Hochhäuser von Lehen sein müssten, ist nur schwarzer Rauch, der nach oben stiebt. Wir quetschen uns durch die Menge. Als wir ganz vorne stehen, ist es richtig heiß, wie an einem Lagerfeuer. Mir drückt etwas auf die Lunge.
    Die Feuerwehr steht am Stadtrand und macht nichts, sagt jemand.
    Man könnte von allen Seiten vorrücken, sagt der Dicke neben mir. Man könnte eine Regenkanone von den Chinesen leihen. Oder den Opfinger See anzapfen.
    Man könnte alles Mögliche, sage ich.
    Eben, sagt jemand. Warum tun die also nichts?
    Mein Gott, eine ganze Stadt, sagt jemand anderes.
    Der Junge, der an dem Fernrohr hängt, schwenkt das Metallding hin und her und macht Maschinengewehrgeräusche. Ich fahre mir mit dem rechten Zeigefinger über die Stirn, die Fingerspitze ist schwarz vor Ruß.
    Wenigstens haben wir es warm, sage ich.
    Wie können Sie so etwas sagen?, ruft eine Frau angewidert.
    Ist das Ihr Junge?, frage ich.
    Der spielt doch nur, sagt sie. Er ist doch noch ein Kind.
    Ich selbst zum Beispiel, sage ich, bekomme demnächst auch ein Kind.
    Alle um mich herum klatschen.
    Danke, sage ich und verbeuge mich. Ist leider nicht mein eigenes.
    Ein Raunen geht durch die Menge. Alle schauen zu einem älteren Herrn, der sich einen Kopfhörer ins Ohr drückt und die andere Hand in die Luft gehoben hat.
    Sie diskutieren darüber, sagt er, ob man CO 2 unter die Aschedecke blasen könnte, das würde den Sauerstoff verdrängen. Man könnte auch Löschflugzeuge einsetzen.
    Es hilft ja doch alles nichts, sage ich und spüre plötzlich etwas Warmes und Feuchtes in den Augen. In diesem Augenblick sehe ich es deutlich vor mir: Es hilft ja doch alles nichts. Ich greife nach dem Arm des Dicken. Fahren Sie mich zurück!
    Nur noch ein bisschen, sagt er.
    Ich packe ihn am Kragen, stoße mich vom Geländer ab. Ich taste mich an den Körpern vorbei, wische in meinen Augen herum, um die Welt wieder scharf zu stellen. Schleife den Dicken hinter mir her. Werfe mich gegen die Tür des silbernen Blitzes, steige ein. Mein ganzer Körper zittert jetzt. Wir setzen uns geräuschlos in Bewegung. Erst als wir am Wiedener Eck sind und ins Wiesental biegen, bin ich wieder ruhig.

    17    Ich greife nach vorne, halte sie an der Schulter fest, ziehe sie zu mir, sie klammert sich an mich.
    O Gott, sagt sie.
    Später sitzen wir in der Küche, Theres immer noch im Bademantel, ich immer noch im Pyjama. Sie hat einen Apfel aufgeschnitten. Ich muss jetzt viele Vitamine essen, sagt sie. Und beißt krachend in eins der vier Stücke.
    Theres, sage ich.
    In meinem Magen ein Jahrmarkt. Niemand sieht Theres morgens im Bademantel. Niemandem erzählt sie alle ihre Gedanken. Niemand hat je den Geruch nach Rosmarin und Abflussrohr in unserer gemeinsamen Küche gerochen, nur sie und ich. Niemand darf in ihrer Werkstatt sitzen und ihr bei der Arbeit zusehen. Niemand sieht den leeren Kanarienvogelkäfig in unserem Wohnzimmer. Ich atme aus. Ich atme ein. Ich tippe eines der Apfelschiffchen an, es schaukelt, findet sein Gleichgewicht. Und liegt da. Ein Fremdkörper. Der Apfelgeruch, mir kommt es hoch.
    Ich habe ein bisschen Angst, sagt Theres. Du darfst niemals weggehen. Du musst immer bei mir bleiben. Versprich es mir.
    Ich denke: Theres, manchmal gibt es Menschen, die verbindet etwas. Unterirdisch, meine ich. Eine Verkabelung. Da kann das oberflächliche Schillern doch nur eine Art Farbenspiegelung sein, die kurz

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