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Wir zwei allein

Wir zwei allein

Titel: Wir zwei allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Nawrat
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wuchtet wie die Zentrifuge und die Waschmaschine. Aber nicht die zentrierte und austarierte und geeichte Welt. Wir sind Piraten im Strudel, und der Sand und die Schiffstrümmer steigen vom Grund auf, alles treibt hoch, ploppt an die Oberfläche, nur wir haben eine entgegengesetzte Bewegung in dieser Spirale. Es ist ein Schneckenhaus, linksdrehend wie Aminosäuren, wir sind alle aus Proteinen aufgebaut. Wir werfen eine Münze, und sie flattert herab wie ein Blatt Papier, auf dem steht, was wir zu tun haben. Aber wir verbleiben in dieser Kreiselbewegung, es dreht sich der Himmel, die Sterne, die Sonnen, und alles dehnt sich dort über uns. Die Stürme wuchten, jagen durch die Bäume, aber wir selbst sind immer hier.

    15    Am Abend sitze ich in meinem Sessel. Der Fernseher zeigt Bilder ohne Ton. Ein Mann, eine Frau. Ich hatte mir schon Jogginghose und Joggingschuhe angezogen, wie früher. Aber bei dem Regen? Im ganzen Raum ist jetzt dieses Fiepen. Es verschwindet, wenn draußen ein Auto vorbeifährt. Dann kommt es wieder, aus dem Bücherregal, aus der Yucca-Palme, steigt von den Holzdielen auf. Ich starre auf das sich windende Fernsehkabel, bleibe mit dem Blick an der Steckdose hängen. Ich kann ihn sehen, den elektrischen Strom. Das Fiepen hat bald meine Eingeweide erreicht und kitzelt. Vom Gehirn aus hat es sich durch die Nervenbahnen in meinen Körper ausgebreitet, unter die Rippen, unter das Bauchfell, zwischen die Organe. Es ist der Ton aus einer Hundepfeife. Mein Wohnzimmer ist ein Knotenpunkt für elektromagnetische Wellen von allen Handys, von allen Satelliten dieser Welt. Ich springe auf und reiße das Kabel aus der Dose, stemme den Flimmerkasten hoch. Eine Minute später stehe ich schon auf der Straße. Meine Jogginghose rutscht, der Regen dringt mir ins Kreuz. Ich stelle die Kiste in den Blättermatsch unter die Platane. Im Sessel zurück, kann ich richtig spüren, wie mein Körper weich wird.

    16    Sie wäscht sich wie ein normaler Mensch. Sie schaut vielleicht in den Spiegel, probiert ein Lächeln aus. Sie sieht ihre kleine Nase, die sie mag. Sie sieht die hohen Wangenknochen – die mag sie nicht, weil die sie an einen Eskimo erinnern. Ich trinke doch keinen Waltran, hat sie einmal gesagt. Sie wäscht sich mit kaltem Wasser. Wegen der kleinen Blutgefäße, und weil man viel besser aufwacht und überhaupt: Es gibt nichts Unnatürlicheres als warmes Wasser am Morgen. Sie setzt sich aufs Klo, die Knie durch die Unterhose zusammengehalten, die Füße weit auseinander. Sie horcht tief in die Leitungen hinab, wenn es zu plätschern anfängt. Wenn wir das hier machen, denkt sie, dann sind wir eine große Hausgemeinschaft. Sie duscht nicht jeden Tag. Sie kämmt sich dann nur die Haare. Dabei geht sie in die Küche und schaltet den Wasserkocher ein und gestikuliert mit der Person im Küchenfenster herum. Sie schaltet das Radio ein. Sie summt ein Lied mit. Sie macht sich Frühstück: Haferflocken mit Banane und Apfel vielleicht. Sie trinkt dazu grünen Tee aus einer Schale. Sie schmiert sich ein Brot und wickelt es in Alufolie. Sie zieht sich an. Sie schaltet das Radio aus und wundert sich einen Moment über die Stille. Unten auf der Straße nimmt sie einen tiefen Zug der kalten Luft. Dann geht sie los. Über den Eschholzpark, zum Laden.

    17    Meine Hand schon halb am Bierglas. Meine Beine haben den Stuhl schon halb zurückgeschoben. Da geraten die Decken an der Tür erneut ins Strudeln. Ein Mann in einem braunen Cordanzug, dessen Arm um Theres’ Schulter liegt. Sie lotst ihn zwischen den Tischen hindurch. Ich kann sehen, dass sie geschminkt ist. Sie setzen sich an einen Fenstertisch, Theres winkt mir zu. Sie hat eine Hand auf seinen Unterarm gelegt und winkt mich strahlend herbei. Ein alter Freund, der zu Besuch gekommen ist. Oder ein entfernter Verwandter. Ein Cousin, ein Halbcousin, ein Viertelcousin. Ich stehe auf und gehe durch die Reihen, setze mich ihnen gegenüber. Ich strecke dem Unbekannten meine Hand entgegen.
    Stefano, sagt er mit vielleicht spanischem Akzent.
    Nice to meet you, Stefano.
    Oh, ich kann auch Deutsch sprechen.
    Stefano wohnt seit acht Jahren in Deutschland, sagt Theres. Halb hier und halb in Stuttgart.
    Stefano beugt sich nach hinten, greift nach einem Brotkorb auf der Tellerablage und stellt ihn vor Theres auf den Tisch. Sie steckt sich ein Stück in den Mund und lächelt ihn an. Er lächelt zurück. Er legt ihr eine Hand auf den Unterarm.
    Und gefällt es dir hier?, frage

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