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Wirrnis des Herzens

Titel: Wirrnis des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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verflüchtigte.
    Lord Beecham kannte die Frauen und er wusste mit ihnen umzugehen.
    Drei Tage ließ er verstreichen, ohne sich bei Helen Mayberry zu melden.
    Am Donnerstagnachmittag zeigte sich der Mai in seiner Blütenpracht im Park gegenüber von Lord Beechams Stadthaus von seiner schönsten Seite. Leuchtende Narzissen überwucherten die Grünflächen, blassblauer Flieder verströmte süßlichen Duft, und rote Azaleen säumten die Wege. Wo man auch hinsah, erblickte man Blumenrabatten in voller Blüte. Es war ein wunderschöner Tag, und so beschloss Lord Beecham, die Arbeit liegen zu lassen. Er rief seinen Sekretär zu sich und sagte ihm, dass er von der ständigen Schreibtischarbeit noch ganz blass werde und deshalb nun reiten gehe.
    Blunder, der Sekretär, war enttäuscht. Er hatte den ganzen Morgen daran gearbeitet, einen dicken Stapel von Rechnungen und Schriftverkehr anzuhäufen, um seiner Lordschaft ein weiteres Mal vor Augen zu führen, wie unersetzlich er war. Nun machte der Lord mit seiner unnützen Reiterei im Park Blunders Triumph zunichte.
    »Aber Lord, Sie sind nicht im Geringsten blass. Schauen Sie sich doch wenigstens noch die Rechnungen für Paledowns an. So viele Lieferantenrechnungen sind zwar eigentlich gar nicht dabei, aber ich habe Ihnen ein ganzes Dutzend Empfehlungsschreiben zurechtgelegt.«
    »Empfehlungsschreiben, Blunder?«
    »Ja, gnädiger Herr. Ihre Tante Mabel, zum Beispiel, ist so sparsam, dass sie sich weigert, neue Tischwäsche zu kaufen, obwohl Lord Hilton bei seinem letzten Besuch versehentlich eines der Tücher zerschnitten hat.«
    »Dann schreiben Sie meiner Tante Mabel einen persönlichen Brief, in dem Sie ihr erklären, dass Sie neue Tücher bestellt haben, die ihr alsbald geliefert werden.«
    »Aber gnädiger Herr, ich verstehe rein gar nichts von Tischtüchern.«
    »Aus diesem Grund hat der gütige Gott uns Haushälterinnen geschenkt, Blunder. Sprechen Sie mit Mrs. Glass. Und jetzt lassen Sie mich allein. Sie können mich morgen früh weiterquälen, aber nicht vor zehn, verstanden?«
    »Ich habe verstanden, Lord Beecham. Aber glücklich bin ich darüber nicht.«
    »Gehen Sie zum Stall und sagen Sie Burney, dass er mir das Pferd satteln soll. Das wird Ihnen gut tun. Sie sind ja selbst ganz blass. Ich möchte sofort losreiten. Meine Finger sind taub und mir raucht mein Kopf - zu viel heiße Luft. Gehen Sie endlich, Blunder.«
    Tief seufzend verließ Blunder den Raum. Zum ersten Mal fiel Lord Beecham auf, wie klein sein Sekretär war. So klein, dass er sich - wie scheinbar alle kleinen Männer - augenblicklich in Helen verlieben würde, wenn er sie sähe.
    Gleich darauf erschien Claude, einer der Diener Lord Beechams, und brachte ihm Reitjacke und Gerte. »Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Ausritt, Lord«, sagte er.
    »Danke, Claude. Wie kommen Sie mit dem Polieren des Silberbesteckes voran?«
    Claude ließ den Kopf hängen. »Ich habe schon ganz wund geriebene Finger. Es ist mir wirklich ein Rätsel, wie der alte Crit es immer wieder geschafft hat, alles so glänzend zu bekommen, dass einem in den Löffelrücken die Seele der eigenen Mutter, Gott hab' sie selig, entgegenschien.«
    Soweit Lord Beechams Erinnerung zurückreichte, war Mr. Crittaker Butler in Heatherington gewesen, bis er, vor nicht allzu langer Zeit, in seinem kleinen, behaglichen Zimmer friedlich eingeschlafen war - Mrs. Glass, die Haushälterin an seiner linken und Lord Beecham an seiner rechten Seite. Vor seinem Bett hatten, nach ihrem Rang geordnet, alle anderen Bediensteten gestanden. Und Mr. Crittakers letzte Worte hatten gelautet: »Die Magd vom Obergeschoss sollte nicht neben dem Gärtner stehen, Lord Beecham. Das müssen Sie besser machen als ich, Claude!«
    »Versuchen Sie es weiter, Claude, und sprechen Sie mit Mrs. Glass«, sagte Lord Beecham.
    »Der alte Crit sagte immer, dass eine Haushälterin, also eine Frau, keine Ahnung davon habe, wie man eine gute Politur zubereitet, Lord.«
    »Der alte Crit war aus dem letzten Jahrhundert, Claude. Wir leben in modernen Zeiten.«
    »Aber Mrs. Glass kann mich nicht leiden. Sie wird mir nicht verraten, wie man es macht.«
    »Sie vermisst Crittaker. Sie wird einlenken, wenn Sie sie mit genügend Respekt behandeln.«
    »Aber, der alte Crit sagte immer ...«
    Das reinste Irrenhaus, dachte Lord Beecham, und scheuchte Claude hinaus. Dann lief er die Vordertreppe hinunter und ging unter den knospenden Eichen entlang zu den Ställen.
    Eines musste man Blunder lassen,

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