WISO - Aktien, Anleihen und Fonds
Crash lernen
Die alte Regel »aus Schaden wird man klug« gilt an der Börse offenbar nur begrenzt oder wird nach einer gewissen Zeit wieder vergessen. Seit 1720 musste zwar immer wieder die Erfahrung gemacht werden, dass es an den Aktienmärkten nicht nur nach oben geht und dass nach einem allzu raschen Kursanstieg ein Rückschlag fast so sicher ist wie das Amen in der Kirche.
Dennoch tappen Anleger immer wieder in diese Falle. Das gilt nicht nur für die Masse der Kleinaktionäre, sondern auch für die Mehrzahl der Fondsmanager und Analysten. Im Boom können sie alle mit klotzigen Gewinnen und – solange die Kurse immer weiter klettern – mit zutreffenden Prognosen aufwarten. Erst in der Krise zeigt sich der Meister. Den bevorstehenden Knick in der Kursentwicklung hat im Jahr 2000 kaum ein Analyst rechtzeitig erkannt. Außer einigen notorischen Schwarzsehern, die immer die Krise an der nächsten Ecke vermuten, sahen die meisten den Dax zum Jahresende 2001 eher über als unter 10 000 Punkten. Das hat nicht nur Tausende von Kleinanlegern um einen großen Teil ihrer Urteilskraft und anschließend ihres |67| Vermögens gebracht. Auch viele deutsche und ausländische Banken sowie große Versicherungen kamen 2002/2003 in eine »Schieflage«, weil sie – trotz oder wegen der Heerscharen von professionellen Analysten, die sie damals beschäftigten – die Entwicklung an den in- und ausländischen Aktienmärkten völlig falsch eingeschätzt hatten. Ein Extrembeispiel: Die Mannheimer Versicherung geriet durch ihre Fehlspekulationen am Aktienmarkt schließlich in eine derartige Schieflage, dass Mitte 2003 auch der letzte Rettungsversuch scheiterte. Noch schlimmer traf es einige Banken und Investmenthäuser im Verlauf der Finanzkrise 2007/2008.
Trotz aller Rückschläge ging es bisher auf lange Sicht mit den Kursen nach einem Crash aber immer wieder nach oben – manchmal deutlich über den vorher erreichten Stand hinaus. Wurden in den 60er Jahren noch Wetten darüber abgeschlossen, ob der amerikanische Dow Jones jemals über 1 000 Punkte steigen könnte, wurde nach dem weltweiten Einbruch 2001 nur noch darüber diskutiert, wie weit dieser Index noch unter 10 000 Zähler fallen könnte. Auch der Dax, der 1987 mit 1 000 Punkten startete, lag selbst im März 2003, als er auf seinen bis dahin tiefsten Punkt nach dem Crash gefallen war, noch um mehr als das Doppelte über diesem Ausgangswert. Ähnliches gilt für den europäischen Aktienindex Stoxx (siehe weiter unten).
Dass es an den »Neuen Märkten« in Europa und den USA ein wenig anders lief, ist kein Gegenbeweis. Denn das waren oder sind Börsensegmente für besonders risikoreiche Beteiligungen. Es war von vornherein klar, dass nur ein Teil der jungen Unternehmen, deren Aktien dort notiert werden, dauerhaft erfolgreich sein würde. Da aber die Anleger – kleine wie große – im Spekulationsfieber schließlich alle Regeln einer vernünftigen Aktienbewertung vergaßen, musste nahezu zwangsläufig wieder das passieren, was auch schon in den Jahren 1720, 1873 oder 1929 geschehen war: Die Spekulationsblase musste irgendwann platzen. In Deutschland war der Knall so stark, dass der gesamte »Neue Markt« ihn nicht überlebte.
Die Entwicklungskurve des Dax zeigt, dass der Aktienmarkt nicht nur von spekulativen Wellen, sondern oft auch von politischen Ereignissen stark beeinflusst wird. Doch wer bei seinem Start alle 30 Werte entsprechend ihrer Gewichtung kaufte (und sein Depot den Veränderungen in der Zusammensetzung des Index anpasste), konnte bis März 2000 sein Vermögen um gut 700 Prozent vermehren. Wer nicht rechtzeitig ausstieg, dessen Aktienvermögen betrug bis zum Tiefpunkt der »Salami-Baisse« – des Absturzes in Scheiben, also auf Raten – zwar nur noch ein Drittel des Spitzenwertes. Aber selbst dieses Vermögen hatte immer noch mehr als den doppelten Wert des Startkapitals.
|68| Wer angesichts einer überhitzten Spekulation nicht auch noch den letzten Euro mitnehmen will, sondern rechtzeitig aussteigt, dafür aber zu den ersten gehört, die nach einem Absturz wieder einsteigen (auch auf die Gefahr hin, dass es kurzfristig vielleicht noch einmal etwas billiger werden könnte), macht die besseren Geschäfte (und schläft ruhiger). Und wer es sich nicht zutraut, diese Punkte einigermaßen genau zu erwischen, fährt am besten mit einer regelmäßigen Anlage – in guten wie in schlechten Zeiten. Denn so profitiert man mit Sicherheit vom langfristigen Trend. Am
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