WISO - Aktien, Anleihen und Fonds
es in Zeiten stark steigender Kurse so leicht ist, das Geld gutgläubiger oder habgieriger Anleger einzusammeln, entstanden auch bald die ersten Schwindelfirmen. Es waren Kolonialgesellschaften, die ihren Aktionären versprachen, ihnen alle Reichtümer der Neuen Welt zu Füßen zu legen. Als die Regierung 1720 eingriff und Gesetze zum Schutz der Anleger erließ, brach die Spekulation über Nacht zusammen. Tausende waren ruiniert. Selbst die Bank von England konnte sich nur mit knapper Not vor einem Zusammenbruch retten.
Achtung!
Fallen Sie nicht auf Gerüchte herein. Friedrich Thießen, Professor an der Technischen Universität Chemnitz, hat wissenschaftlich untersucht, welche Auswirkungen Gerüchte an der Börse haben. Dabei stellte sich heraus, dass ein geschickt formuliertes Gerücht die Handelsumsätze mit der betreffenden Aktie um 46 bis 87 Prozent steigern |65| kann – manchmal zum Vorteil derjenigen, die diese Gerüchte in die Welt gesetzt haben, meist zum Schaden derjenigen, die ihnen gutgläubig hinterhergelaufen sind.
Gerüchte bewegen die Kurse im Durchschnitt um 2,8 Prozent nach oben oder unten – abhängig davon, ob es sich um ein positives oder ein negatives Gerücht handelt. Professor Thießen charakterisiert ein »gutes« Gerücht so: »Es muss an eine aktuelle Diskussion anknüpfen, es muss über den bisherigen Informationsstand hinausgehen, und es sollte an unterbewusste Ängste appellieren.«
Der »Freitag«, der ein Donnerstag war
An der Börse gilt: Geschichte wiederholt sich. Der Zusammenbruch von 1720 war nicht der erste und blieb bis heute auch nicht der letzte spektakuläre Börsenkrach. Besondere »Berühmtheit« erreichte der »Schwarze Freitag« des Jahres 1873. In den »Gründerjahren« nach dem deutsch-französischen Krieg 1870/71 und der deutschen Reichsgründung hatte der wirtschaftliche Boom zu einer stark überhitzten Kursentwicklung an den Börsen geführt. Das Ende wurde am Freitag, dem 4. Mai 1873, eingeläutet.
In Erinnerung daran wurde auch der Tag des Jahres 1929, an dem es nach einem monatelangen Kursfeuerwerk völlig überraschend zu einem katastrophalen Kurseinbruch an der Wall Street in New York kam, als »Schwarzer Freitag« bezeichnet, obwohl es ein Donnerstag war. Dieser bis heute berüchtigte »Schwarze Freitag« seit Bestehen des organisierten Handels mit Wertpapieren fand am Donnerstag, dem 24. Oktober 1929, statt. Dieser Börsencrash war der bislang folgenschwerste Börsenunfall der Geschichte. Schon am ersten Tag stürzten die Kurse der wichtigsten amerikanischen Aktien innerhalb von wenigen Stunden um 13 Prozent. Das wiederum löste panikartige Verkäufe in allen Marktbereichen aus. Tausende von Anlegern, die oftmals ihre Wertpapiere mithilfe von Krediten erworben hatten (auch ein Fehler, der bis heute immer wieder gemacht wird), trennten sich ebenso gedankenlos von ihren Papieren, wie sie diese zuvor gekauft hatten.
Vier Jahre lang – nämlich bis 1933 – ging es fast ohne Unterbrechung immer weiter bergab. Dabei wurden auch Aktien von Unternehmen mit in den Strudel gerissen, die gut fundiert waren und glänzend verdienten. Denn |66| wenn erst einmal Panik um sich greift, interessiert – ebenso wie zuvor im Boom – die tatsächliche wirtschaftliche Lage einer Aktiengesellschaft niemanden mehr. So stürzte während des großen Börsenkrachs von 1929 zum Beispiel auch die Aktie von General Motors von stolzen 180 auf lächerliche 10 Dollar. Wer damals beherzt zugriff (und neben dem notwendigen Mut auch noch über das dazu notwendige Geld verfügte), war Jahre später ein gemachter Mann. Wenn bei Ihnen jetzt Erinnerungen an die Entwicklung am Frankfurter »Neuen Markt« in den Jahren 1999/2000 wach werden sollten, ist das sicher kein Zufall.
Das Spiel wiederholte sich in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts – wenn auch in gemäßigter Form. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg hat es nach Zeiten heißer Spekulation mehrfach kräftige Rückschläge gegeben. Trotz aller schmerzhaften Erfahrungen gelingt es windigen Geschäftemachern immer wieder, unerfahrene und von Habgier geblendete Anleger in solchen Situationen über den Tisch zu ziehen. Als Konsequenz daraus wurden die Gesetze zum Schutz der Anleger immer strenger und die Börsenaufsichtsbehörden immer mächtiger. Doch das alles konnte und kann nicht verhindern, dass es nach Phasen übertriebener Erwartungen immer wieder zu bösen Rückschlägen kommen kann.
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Aus dem
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