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Wissenschaft und Demokratie (edition unseld) (German Edition)

Wissenschaft und Demokratie (edition unseld) (German Edition)

Titel: Wissenschaft und Demokratie (edition unseld) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Hagner
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Hoffnung – ist nach Hamilton der Ursprung unserer Melancholie und die Ursache unserer kognitiven Dissonanz.
    Hoffentlich (ach, schon wieder die Hoffnung!) ist es mir geglückt zu zeigen, warum es wichtig, ja dringlich sein könnte, alle möglichen Ressourcen zusammenzubringen, um – ohne Melancholiker oder Leugner zu werden – die Lücke zu schließen zwischen der Größe und dem Maßstab der anstehenden Probleme und den emotionalen und kognitiven Zuständen, die wir mit den Aufgaben in Verbindung bringen, die erfüllt werden müssen, um dem Aufruf zur Verantwortung nachzukommen. Das ist der Hauptgrund, warum wir (an der Sciences Po) den altmodischen Begriff der »politischen Künste« für unseren neuen Studiengang wieder zum Leben erweckt haben. Im Rahmen dieses Studienganges sollen professionelle Künstler sowie Sozial- und Naturwissenschaftler lernen, mit der dreifachen Aufgabe der wissenschaftlichen, politischen und künstlerischen Darstellung zurechtzukommen.
    Die Idee, die uns dabei vorschwebt, ist kühn und bescheiden zugleich: Da wir inzwischen zu einer großen Bürde auf Gaias Schultern geworden sind, während sie umgekehrt auf den unseren lastet, könnten wir vielleicht einen Handel – oder ein Ritual – in Erwägung ziehen. Womöglich sind wir, ebenso wie die Großbanken, »too big to fail« – zu groß, um uns scheitern zu lassen. Unsere Schicksale sind so miteinander verknüpft, daß die Sache so ausgehen könnte, wie sie auf diesem faszinierenden Bild des Meisters von Meßkirch dargestellt wird.
     
    Abb. 1 : Meister von Meßkirch,
»Der heilige Christophorus«.
     
    Dort hält Christophorus den jungen Christus, der seinerseits in einen geschlossenen Kosmos eingebettet ist. Mir scheint, Christophorus ist eine etwas hoffnungsvollere Leitfigur als Atlas mit seiner allzu schweren Bürde – allerdings nur, wenn die Hoffnung überhaupt noch ein Segen sein kann.
     
    Aus dem Englischen von Joachim Schulte
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    *
    Ich danke Michael Flower für seine zahlreichen Hinweise und Vorschläge sowie für die Korrektur des englischen Originaltextes.
    * Percy Bysshe Shelley, Mont Blanc , Zeilen 8-11 . Hervorhebungen des Verfassers: »In den wilden Wäldern, inmitten der einsamen Berge, / Wo Wasserfälle umher immerfort schäumen, / Wo Wald und Wind miteinander ringen und ein gewaltiger Fluß / Unaufhörlich wirbelnd über die Felsen tost.«
    * Ebd., Zeilen 1-5 . Herv. d. Verf.: »Das immerwährende Universum der Dinge / Strömt durch den Geist und wirbelt seine raschen Wellen / Bald dunkel – bald glitzernd – bald Düsternis spiegelnd – / Bald Glanz verleihend, wo aus geheimen Ursprüngen fließend / Der Quell des menschlichen Denkens mit einmündet.«
    * Gemeint ist The Revenge of Gaia , London: Penguin Books 2007 ; Anm. d. Übers.
    * »Daisyworld« bezeichnet ein 1983 von James Lovelock und Andrew Watson veröffentlichtes Computermodell, mit dem die Gaia-Hypothese belegt werden sollte, der zufolge die Biosphäre selbst als eine Art Lebewesen betrachtet werden kann, das als sich selbst regulierendes System die Bedingungen für das Leben auf der Erde erhält; Anm. d. Übers.

Philip Kitcher
Platons Rache
Undemokratische Nachrichten von einem
überhitzten Planeten 1

    1.
    Als im Sommer des Jahres 2099 Rekordtemperaturen aus immer zahlreicheren Gegenden gemeldet wurden, veröffentlichte das zwischenstaatliche Amt für Umweltforschung endlich die Antwort auf eine seit langem umstrittene Frage. Für den Anstieg der durchschnittlichen Erdtemperatur im 21 . Jahrhundert waren schon viele Zahlen vorhergesagt worden, doch wie sich herausstellte, betrug der tatsächliche Wert 5 , 24 Grad Celsius, also mehr, als die Optimisten erwartet, und etwas weniger, als die Pessimisten befürchtet hatten. Über diesen Bericht diskutierten die früheren Bewohner der Malediven und des Golfs von Bengalen in den verschiedenen Ländern, in die sie geflohen waren, ebenso wie die Menschen, die die große italienische Wüste und die kalifornischen Salzsümpfe hatten verlassen müssen, während die wenigen, die richtige Prognosen gestellt hatten, mit Gläsern voller Schaumwein von den Hebriden anstießen. Das war für viele der zwei Milliarden Vertriebenen dieser Welt der gegebene Anlaß, der Milliarde oder mehr Menschen aus ihren früheren Heimatländern zu gedenken, die bei Flut- und Sturmkatastrophen, Dürren, Hungersnöten und im Zuge der Verheerungen umgekommen waren, die die sechs großen Pandemien angerichtet hatten, von

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