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Witwe für ein Jahr (German Edition)

Witwe für ein Jahr (German Edition)

Titel: Witwe für ein Jahr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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dich nicht vor dir selbst schützen«, erwiderte Allan, »sondern vor diesen Arschlöchern.«
    Nein, man muß mich vor mir selbst schützen, dachte Ruth, aber sie lächelte Allan nur an und drückte seinen Arm. Eddie, der dazu schwieg, fand, daß man Ruth vor sich selbst und vor den Arschlöchern schützen mußte – möglicherweise auch vor Allan Albright.
    Apropos Arschlöcher: Eines lauerte Ruth auf der 2nd Avenue zwischen 84th und 85th Street auf; es mußte erraten haben, in welches Restaurant sie gehen würden, oder war so schlau gewesen, Karl und Melissa dorthin zu folgen. Es war der unverschämte junge Mann von vorher, der die bissigen Fragen gestellt hatte.
    »Ich möchte mich entschuldigen«, sagte er zu Ruth. »Ich hatte nicht die Absicht, Sie zu verärgern.« Es klang nicht sonderlich reumütig.
    »Ich habe mich nicht über Sie geärgert«, sagte Ruth nicht ganz wahrheitsgetreu. »Ich ärgere mich jedesmal über mich selbst, wenn ich in der Öffentlichkeit auftrete. Ich sollte einfach nicht mehr öffentlich auftreten.«
    »Aber warum denn nicht?« fragte der junge Mann.
    »Sie haben genug Fragen gestellt, Freundchen«, sagte Allan. Wenn Allan jemanden »Freundchen« nannte, war dicke Luft im Anzug.
    »Ich ärgere mich über mich selbst, wenn ich mir in der Öffentlichkeit eine Blöße gebe«, sagte Ruth. Abrupt fügte sie hinzu: »O Gott, Sie sind Journalist, nicht wahr?«
    »Sie mögen wohl keine Journalisten, was?« meinte der junge Mann.
    Ruth ließ ihn vor dem Restaurant stehen, wo er noch endlos lang mit Allan rechtete. Eddie blieb bei den beiden Männern, allerdings nur kurz. Dann betrat er das Restaurant und gesellte sich zu Ruth, die bereits bei Karl und Melissa saß.
    »Sie werden sich schon nicht prügeln«, versuchte Eddie Ruth zu beruhigen. »Wenn sie sich prügeln wollten, hätten sie längst damit angefangen.«
    Wie sich herausstellte, gehörte der Journalist zu denen, die für den nächsten Tag keinen Interviewtermin mit Ruth Cole bekommen hatten. Offenbar hatte der Presseleiter von Random House ihn nicht für wichtig genug erachtet, und Ruth gab grundsätzlich nur eine beschränkte Anzahl von Interviews.
    »Du mußt keine Interviews geben«, hatte Allan ihr erklärt, aber sie hatte sich den Wünschen der Presseabteilung gefügt.
    Allan war bei Random House berüchtigt dafür, daß er die Bemühungen der Presseabteilung sabotierte. Er war der Ansicht, ein Romanautor, selbst ein Bestsellerautor wie Ruth Cole, solle zu Hause bleiben und schreiben. Und seine Autoren rechneten es ihm hoch an, daß er ihnen all das, was Lektoren im allgemeinen ihren Autoren abverlangen, ersparte. Er engagierte sich aufopfernd für sie: manchmal engagierte er sich mehr für das, was seine Autoren gerade schrieben, als die Autoren selbst. Ruth hatte nie bezweifelt, daß sie diese Seite an Allan liebte. Daß er jedoch nicht davor zurückschreckte, sie zu kritisieren – egal, weswegen –, schätzte sie nicht sonderlich.
    Während sich Allan draußen auf dem Gehsteig noch mit dem aggressiven jungen Journalisten herumstritt, signierte Ruth rasch die Bücher aus Mrs. Bentons Einkaufstasche, das »versaute« eingeschlossen. (In dieses schrieb sie: »Tut mir leid!«) Dann ließ Eddie die Einkaufstasche unter dem Tisch verschwinden, weil Ruth gemeint hatte, Allan wäre von ihr enttäuscht, wenn er erführe, daß sie die Bücher der selbstherrlichen Großmutter signiert hatte. Eddie folgerte daraus, daß Allan mehr als ein rein berufliches Interesse an seiner berühmten Autorin hatte.
    Als Allan endlich an den Tisch kam, achtete Eddie sorgfältig auf dessen persönliches Interesse an Ruth. Auch Ruth achtete sorgfältig darauf.
    Während der Lektoratsarbeit an ihrem Buch, den erbitterten Streit um den Titel mit eingeschlossen, hatte sie nicht bemerkt, welche Gefühle Allan für sie hegte; er war ganz und gar sachlich geblieben, ein absoluter Profi. Und in dieser Phase hatte sie auch nicht erkannt, daß die Auseinandersetzung über den von ihr gewählten Titel eigenartig persönliche Züge annahm; daß sie nicht nachgab, ja die von ihm vorgeschlagene Alternative nicht einmal in Betracht zog, wurmte ihn. Aber schließlich fand er sich mit dem Titel ab, wenn auch grollend. Hartnäckig kam er immer wieder darauf zu sprechen, wie ein verstimmter Ehemann, der in einer langen und insgesamt glücklichen Ehe immer wieder die gleiche Meinungsverschiedenheit aufs Tapet bringt.
    Ruth hatte ihrem dritten Roman (durchaus zutreffend) den

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