Witwe für ein Jahr (German Edition)
Titel Nichts für Kinder gegeben. In ihrem Buch wird dieser Slogan mit Vorliebe von militanten Pornogegnern verwendet; geprägt hat ihn Mrs. Dashs Feindin (die am Ende ihre Freundin wird), Eleanor Holt. Doch im Verlauf des Romans bekommt der Ausdruck eine völlig andere Bedeutung als ursprünglich beabsichtigt. Als sich die beiden Frauen genötigt sehen, ihre verwaisten Enkelkinder gemeinsam großzuziehen, erkennen sie, daß sie ihr unverhohlenes wechselseitiges Mißfallen ad acta legen müssen; denn ihre alte Feindschaft ist der Situation nicht zuträglich; sie ist auch »nichts für Kinder«.
Allan wollte den Roman Den Kindern zuliebe nennen. (Er meinte, die beiden verfeindeten Frauen schlössen ähnlich Frieden wie ein zerstrittenes Ehepaar, das »den Kindern zuliebe« beisammenbleibt. Aber Ruth wollte den unmittelbaren Bezug zu den Pornogegnern aufrechterhalten, der in Nichts für Kinder steckt. Sie legte Wert darauf, ihre Einstellung zur Pornographie im Titel deutlich zu machen und klarzustellen, daß sie Zensur noch mehr verabscheute als Pornographie.
Kinder vor Pornographie zu schützen war ihrer Ansicht nach Aufgabe jedes einzelnen; nicht die Zensur, sondern jeder einzelne hatte dafür zu sorgen, daß Kinder vor allem geschützt wurden, was ungeeignet für sie war. (»Auch vor den Romanen von Ruth Cole«, hatte Ruth in mehreren Interviews gesagt.)
Ruth war es grundsätzlich zuwider, mit Männern zu streiten, weil sie dabei immer an die Streitereien mit ihrem Vater denken mußte. Ließ sie ihn gewinnen, rieb er ihr auf geradezu kindische Art unter die Nase, daß er recht gehabt hatte. Gewann sie jedoch eindeutig, wollte Ted es entweder nicht zugeben oder reagierte gereizt.
»Du bestellst immer Rucola«, sagte Allan jetzt zu ihr.
»Ich mag ihn eben«, sagte Ruth. »Und man bekommt ihn nicht immer.«
Für Eddie hörten sich die beiden an, als wären sie seit Jahren verheiratet. Er wollte mit Ruth über Marion reden, aber das würde warten müssen. Als er sich entschuldigte, um auf die Toilette zu gehen, obwohl es eigentlich gar nicht nötig war, hoffte er, Ruth würde die Gelegenheit nutzen, um die Damentoilette aufzusuchen; so konnten sie wenigstens ein paar Worte wechseln, wenn auch nur auf dem Gang vor den Toiletten. Aber Ruth blieb am Tisch sitzen.
»Mein Gott«, sagte Allan, nachdem Eddie gegangen war. »Warum hat eigentlich O’Hare dich vorgestellt?«
»Ich finde, er hat seine Sache gut gemacht«, log Ruth.
Karl erklärte, er und Melissa bäten Eddie O’Hare häufig, Autoren vorzustellen. Weil er zuverlässig sei, sagte Karl. Und weil er noch niemals abgelehnt habe, fügte Melissa hinzu.
Ruth lächelte, als sie das hörte, aber Allan sagte: »Mein Gott, ›zuverlässig‹? Er ist zu spät gekommen! Und er sah aus, als wäre er von einem Bus überfahren worden!«
Karl und Melissa mußten ihm recht geben: Eddie hatte wirklich etwas zu lang gesprochen; das hätten sie bei ihm noch nie erlebt.
»Aber warum wolltest du , daß er dich vorstellt?« wandte Allan sich an Ruth. »Du hast gesagt, du hältst es für eine gute Idee.« (Tatsächlich hatte sie Eddie vorgeschlagen.)
Wer hat gleich wieder gesagt, daß es für sehr persönliche Enthüllungen keinen besseren Rahmen gibt als eine Runde von Leuten, die einem praktisch fremd sind? (Das hatte Ruth geschrieben, in ihrem Roman Im selben Waisenhaus .)
»Na ja.« Ruth war bewußt, daß Karl und Melissa in diesem Fall »praktisch Fremde« waren. »Eddie O’Hare war der Liebhaber meiner Mutter«, verkündete sie. »Damals war er sechzehn, und meine Mutter war neununddreißig. Ich habe ihn nicht mehr gesehen, seit ich vier war, aber ich wollte ihn unbedingt wiedersehen. Wie ihr euch vorstellen könnt …« Sie wartete.
Niemand sagte etwas. Ruth wußte, wie gekränkt Allan sein würde, weil sie es ihm nicht vorher gesagt hatte und jetzt vor Karl und Melissa damit herausrückte.
»Darf ich fragen«, begann Allan, für seine Verhältnisse sehr förmlich, »ob die ältere Frau in sämtlichen O’Hare-Romanen deine Mutter ist?«
»Nach Aussage meines Vaters nicht«, antwortete Ruth. »Aber ich glaube, daß Eddie meine Mutter wirklich geliebt hat und daß diese Liebe, die Liebe zu einer älteren Frau, in all seinen Romanen vorkommt.«
»Verstehe«, sagte Allan. Mit den Fingern zupfte er einzelne Rucolablätter von Ruths Salatteller. Dafür, daß er ohne Zweifel ein Gentleman war – ein kultivierter Mensch, der sein ganzes Leben in New York zugebracht
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