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Witwe für ein Jahr (German Edition)

Witwe für ein Jahr (German Edition)

Titel: Witwe für ein Jahr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Widmung versehen, ohne sie zu signieren, aber die alte Dame riß die Einkaufstasche weg.
    »Wie können Sie es wagen!« schrie sie.
    »Scheiß auf Sie und Ihre Enkelkinder«, wiederholte Ruth tonlos. Es war ihre Vorlesestimme. Sie ging wieder ins Künstlerzimmer und sagte im Vorbeigehen zu Allan: »Scheiß auf zweimal Nettsein. Scheiß auf einmal Nettsein.«
    Eddie, der wußte, daß seine Einführung viel zu lang und zu akademisch gewesen war, sah eine Möglichkeit, das wiedergutzumachen. Wer immer die alte Dame sein mochte, sie war so alt wie Marion; Eddie betrachtete Frauen in Marions Alter nicht als »alt«. Freilich waren sie etwas älter, aber alt waren sie nicht – jedenfalls nicht in Eddies Augen.
    Eddie hatte auf dem Innentitel, unter den Ruth die Widmung für die aggressive Großmutter geschrieben hatte, ein gedrucktes Exlibris bemerkt.
    ELIZABETH J. BENTON
    »Mrs. Benton?« sagte Eddie.
    »Was ist?« fragte Mrs. Benton. »Wer sind Sie überhaupt?«
    »Ed O’Hare«, sagte Eddie und streckte ihr die Hand hin. »Das ist eine herrliche Brosche, die Sie da haben.«
    Mrs. Benton blickte auf das Revers ihrer pflaumenfarbenen Kostümjacke; bei der Brosche handelte es sich um eine mit Perlen besetzte, silberne Kammuschel. »Sie hat meiner Mutter gehört«, sagte die Frau zu Eddie.
    »Nein, so ein Zufall«, meinte Eddie. »Meine Mutter hatte genau die gleiche, sie ist sogar damit begraben worden«, log er. (Eddies Mutter, Dot O’Hare, war noch quicklebendig.)
    »Ach …«, sagte Mrs. Benton, »das tut mir aber leid.«
    Eddies lange Finger schienen unschlüssig über der abgrundhäßlichen Brosche zu schweben. Mrs. Benton wölbte ihren Busen der in der Luft verharrenden Hand entgegen und gestattete Eddie, die Kammuschel aus Silber zu berühren; die Perlen durfte er auch betasten.
    »Ich hätte nie gedacht, daß ich noch einmal so eine Brosche zu sehen bekomme«, meinte Eddie.
    »Oh …«, sagte Mrs. Benton. »Standen Sie Ihrer Mutter sehr nahe? Bestimmt standen Sie ihr sehr nahe.«
    »Ja«, log Eddie. (Warum kann ich so etwas in meinen Büchern nicht? fragte er sich. Es war ihm ein Rätsel, woher die Lügen kamen und weshalb er sie nicht herbeizitieren konnte, wenn er sie brauchte; es war, als könnte er nur warten und hoffen, daß sich im richtigen Augenblick eine plausible Lüge einstellte.)
    Minuten später hatte Eddie die alte Dame zum Bühnenausgang begleitet. Draußen, im steten Regen, wartete eine kleine Traube entschlossener junger Leute, um aus nächster Nähe einen Blick auf Ruth Cole zu werfen – und sie zu bitten, die mitgebrachten Bücher zu signieren.
    »Die Autorin ist schon gegangen. Sie hat den Vordereingang genommen«, log Eddie. Es wunderte ihn, daß er es nicht fertiggebracht hatte, die Frau an der Rezeption des Plaza anzulügen. Wäre ihm das gelungen, hätte er etwas eher sein Kleingeld für den Bus bekommen; vielleicht hätte er sogar Glück gehabt und einen früheren Bus erwischt.
    Mrs. Benton, die das Lügen besser beherrschte als Eddie, sonnte sich noch einen Augenblick in dessen Gesellschaft, ehe sie ihm schwungvoll eine gute Nacht wünschte und sich noch ausdrücklich für sein »gentlemanlikes Verhalten« bedankte.
    Eddie hatte sich bereit erklärt, für ihre Enkel Autogramme von Ruth Cole zu besorgen. Er hatte Mrs. Benton überredet, ihm ihre Einkaufstasche mit den Büchern dazulassen, auch das Buch, das Ruth »versaut« hatte. (So betrachtete Mrs. Benton die Sache.) Denn selbst wenn er Ruth nicht dazu bringen konnte, die Bücher zu signieren, wußte er, daß er Mrs. Benton eine einigermaßen überzeugende Fälschung liefern konnte.
    Eddie mußte zugeben, daß ihm die Dreistigkeit dieser Frau imponierte. Abgesehen davon, daß sie sich als Ruths Mutter ausgegeben hatte, fand er es bewundernswert, wie sie Allan Albright die Stirn geboten hatte. Auch ihre Amethystohrringe hatten etwas ausgesprochen Dreistes. Sie paßten nicht ganz zu dem eher gedämpften Pflaumenblau ihres Kostüms. Und der protzige Ring am rechten Mittelfinger, der etwas zu locker saß … vielleicht hatte er früher an ihren Ringfinger gepaßt.
    Eddie fand Mrs. Bentons dünn gewordenen und eingefallenen Körper anrührend, denn er merkte deutlich, daß sie sich nach wie vor als jüngere Frau betrachtete. Wie hätte es auch anders sein können? Und wie hätte Eddie nicht gerührt sein sollen? Wie die meisten Schriftsteller (Ted Cole ausgenommen) war er der Meinung, daß das Autogramm eines Autors im Grunde bedeutungslos

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