Witwe für ein Jahr (German Edition)
Europareise war Stockholm. Im Gegensatz zu Hannahs Vorhersage waren nicht alle Schweden blond. Die zwei jungen Männer, die Hannah und Ruth aufgabelten, waren dunkelhaarig und sahen gut aus; sie studierten noch, wirkten aber sehr selbstsicher, und einer von ihnen – der, der bei Ruth landete – sprach hervorragend Englisch. Der andere, der etwas besser aussah, aber kaum ein Wort Englisch sprach, hatte sich sofort an Hannah gehängt.
Der Ruth zugedachte junge Mann fuhr sie alle vier ins Haus seiner Eltern, das eine Dreiviertelstunde außerhalb von Stockholm lag. Die Eltern waren über das Wochenende verreist.
Es war ein modernes Haus mit viel hellem Holz. Ruths junger Mann – er hieß Per – machte pochierten Lachs mit Dill, zu dem es neue Kartoffeln und einen Salat aus Wasserkresse und harten Eiern mit Schnittlauch gab. Hannah und Ruth tranken zwei Flaschen Weißwein, die jungen Männer Bier, und dann zog sich der etwas besser aussehende Junge mit Hannah in ein Gästezimmer zurück.
Ruth bekam nicht zum erstenmal mit, wie Hannah mit einem Mann schlief, aber diesmal war es irgendwie anders, da sie wußte, daß dieser junge Mann kein Englisch sprach – und weil sie und Per während der ganzen Zeit, in der Hannah genußvoll stöhnte, Geschirr spülten.
Per sagte immer wieder: »Ich bin ja so froh, daß sich deine Freundin so gut amüsiert.«
Und Ruth sagte immer wieder: »Hannah amüsiert sich immer.«
Ruth hätte sich noch mehr schmutziges Geschirr gewünscht, wußte aber, daß sie lange genug Zeit geschunden hatte. Schließlich sagte sie: »Ich bin noch Jungfrau.«
»Willst du es weiterhin bleiben?« fragte Per.
»Nein, aber ich bin sehr nervös«, warnte sie ihn.
Sie drängte ihm ein Kondom auf, noch bevor er überhaupt angefangen hatte, sich auszuziehen. Aus den drei Schwangerschaften ihrer Freundin hatte Ruth einiges gelernt; sogar Hannah hatte, wenn auch mit etwas Verspätung, einiges dazugelernt.
Doch als Ruth Per das Kondom in die Hand drückte, sah der junge Schwede sie überrascht an. »Bist du sicher, daß du noch Jungfrau bist?« fragte er sie. »Ich war noch nie mit einer Jungfrau zusammen.«
Per war fast ebenso nervös wie Ruth, was sie ihm hoch anrechnete. Außerdem hatte er zuviel Bier getrunken und wies sie, mitten beim Koitus, darauf hin. »Öl« , flüsterte er ihr ins Ohr, was Ruth als Ankündigung verstand, daß er gleich kommen würde. Tatsächlich sollte es jedoch eine Entschuldigung dafür sein, daß er so lange brauchte, um zu kommen. ( Öl ist das schwedische Wort für Bier.)
Aber Ruth hatte keine Vergleichsmöglichkeiten; für sie dauerte es weder zu lang noch zu wenig lang. Für sie ging es hauptsächlich darum, es hinter sich zu bringen, es einfach (endlich) getan zu haben. Sie empfand nichts.
Und da es offenbar schwedischen Bettmanieren entsprach, sagte sie ebenfalls »Öl«, obwohl sie nicht kam.
Als Per sich zurückzog, schien er enttäuscht, daß nicht mehr Blut zu sehen war. Er hatte erwartet, daß eine Jungfrau kräftig blutet. Von daher vermutete Ruth, daß die ganze Angelegenheit für ihn weniger aufregend gewesen war als erwartet. Für sie war es mit Sicherheit weniger aufregend gewesen als erwartet. Weniger Spaß, weniger Leidenschaft, sogar weniger Schmerz – von allem weniger. Es fiel ihr schwer, sich vorzustellen, weshalb Hannah die ganzen Jahre über so heftig gestöhnt hatte.
Doch eines lernte Ruth aus ihrem allerersten Mal in Schweden, nämlich daß einem die Folgen einer sexuellen Begegnung häufig deutlicher in Erinnerung bleiben als der Akt selbst. Für Hannah hatte Sex offenbar keine erinnernswerten Folgen; nicht einmal ihre drei Abtreibungen konnten sie davon abhalten, den Akt, der ihr anscheinend ungleich wichtiger war als mögliche Folgen, immer und immer wieder zu wiederholen.
Als Pers Eltern am nächsten Morgen sehr viel früher als vorgesehen nach Hause kamen, lag Ruth allein und nackt in ihrem Bett. Per duschte gerade, als seine Mutter ins Schlafzimmer kam und auf schwedisch auf Ruth einzureden begann.
Ruth verstand nicht nur kein Wort, sie konnte auch ihre Kleider nicht finden – und Per konnte über das Rauschen der Dusche hinweg die schrill anschwellende Stimme seiner Mutter nicht hören.
Dann kam Pers Vater ins Schlafzimmer. Während Per zuvor enttäuscht gewesen war, wie wenig Ruth geblutet hatte, bemerkte Ruth erst jetzt das Blut auf dem Handtuch, das sie vorsorglich auf dem Bett ausgebreitet hatte, damit die Bettwäsche von Pers
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