Witwe für ein Jahr (German Edition)
trockene Sachen zum Squashspielen an. Dann schüttete sie etwas Talkumpuder in die rechte vordere Tasche ihrer Shorts; damit würde ihre Schlägerhand trocken und weich bleiben und keine Blasen bekommen. Den Weißwein hatte sie schon kalt gestellt, und nun füllte sie den Reis in den elektrischen Dampfkocher. Später brauchte sie dann nur noch auf den Knopf zu drücken, um ihn anzuschalten. Den Tisch im Eßzimmer hatte sie auch schon gedeckt – zwei Gedecke.
Endlich kletterte sie über die Leiter in den oberen Teil der Scheune, und nachdem sie ein paar Dehnübungen gemacht hatte, begann sie den Ball anzuwärmen.
Sie fiel in einen mühelosen Rhythmus: vier Vorhandschläge parallel zur Wand, dann ein Schlag auf das verräterische Tin; vier Rückhand-Drives, dann wieder das Tin. Sooft sie bewußt niedrig zielte und es traf, schlug sie den Ball so fest, daß das Blech laut schepperte. In einem richtigen Match traf Ruth das Tin so gut wie nie; in einem harten Spiel passierte es ihr höchstens zweimal. Aber sie wollte sichergehen, daß Scott Saunders bei seiner Ankunft das Tin scheppern hörte. Wenn er die Leiter heraufkletterte, um mit ihr zu spielen, dachte er sich bestimmt: Dafür, daß sie angeblich eine recht gute Spielerin ist, trifft sie das Tin aber oft. Und wenn sie dann zu spielen begannen, wäre er ziemlich erstaunt, daß sie es praktisch nie traf. Um so größer wäre die Überraschung, wenn sie zu spielen anfingen.
Man spürte ein leises Vibrieren im Squashcourt, sobald jemand über die Leiter in den oberen Teil der Scheune kletterte. Als Ruth dieses Vibrieren bemerkte, zählte sie die nächsten Schläge und traf beim fünften das Tin. Sie schaffte mühelos alle fünf Schläge in der Zeit, die sie brauchte, um »Daddy mit Hannah Grant!« zu flüstern.
Scott klopfte zweimal mit dem Schläger an die Tür des Courts; dann öffnete er sie vorsichtig. »Hallo«, sagte er. »Ich hoffe, Sie haben nicht für mich trainiert.«
»Ach, nur ein bißchen«, sagte Ruth.
Zwei Schubladen
Ruth schanzte ihm die ersten fünf Punkte zu. Sie wollte sehen, wie er sich bewegte. Er war einigermaßen schnell, schwang den Schläger jedoch wie ein Tennisspieler; er spielte nicht aus dem Handgelenk. Und er konnte nur einen Aufschlag: hart und genau auf sie gezielt. Meistens kam er zu hoch, so daß sie ihm ausweichen und ihn zurückschlagen konnte, nachdem er von der Rückwand abgeprallt war. Sein Aufschlag-Return war schwach; der Ball fiel in der Mitte des Spielfelds zu Boden, und Ruth konnte ihn meist mit einem Winkelschlag abwürgen. Sie scheuchte Scott entweder von der Rückwand zur Stirnwand oder von einer hinteren Ecke in die andere.
Ruth gewann den ersten Satz 15:8, bevor Scott überhaupt mitbekommen hatte, wie gut sie wirklich war. Er gehörte zu den Spielern, die ihr eigenes Können überschätzen. Wenn er verlor, dachte er erst einmal, daß er ein bißchen zu lasch gespielt hatte; bis zum dritten oder vierten Satz kam er gar nicht auf die Idee, daß ihm sein Partner überlegen sein könnte. Bei den nächsten zwei Sätzen versuchte Ruth, den Punktabstand in etwa zu halten, weil es ihr Spaß machte, ihn herumzuhetzen.
Den zweiten Satz gewann sie 15:6, den dritten 15:9. Scott Saunders war sehr gut in Form, aber nach dem dritten Satz griff er zur Wasserflasche. Ruth trank keinen Schluck. Scott erledigte die ganze Lauferei.
Er war noch nicht wieder richtig zu Atem gekommen, als er den ersten Aufschlag im vierten Satz verpatzte. Ruth nahm seine Frustration wahr wie einen plötzlich auftauchenden, unangenehmen Geruch. »Ich kann einfach nicht glauben, daß Ihr Vater Sie noch immer besiegt«, sagte er kurzatmig.
»Eines Tages werde ich ihn besiegen«, entgegnete Ruth. »Vielleicht beim nächsten Mal.«
Sie gewann den vierten Satz 15:5. Als er einem Drop in die vordere Ecke nachjagte, rutschte er in einer kleinen Lache seines eigenen Schweißes aus; er knallte auf die Hüfte und schlug mit dem Kopf gegen das Tin.
»Alles in Ordnung?« fragte Ruth. »Wollen Sie aufhören?«
»Spielen wir noch einen Satz«, sagte er barsch.
Ruth gefiel seine Art nicht. Den letzten Satz gewann sie 15:1; den einzigen Punkt machte er, als sie, wider besseres Wissen, einen Reverse Angle versuchte und das Tin traf – das einzige Mal in fünf Sätzen. Sie ärgerte sich über sich selbst, weil sie sich auf diesen riskanten Schlag eingelassen hatte, und fand ihre Einstellung zu Schlägen mit geringer Trefferquote wieder einmal bestätigt. Hätte
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