Witwe für ein Jahr (German Edition)
voller Jungenspielzeug gesehen habe, dann diese«, sagte Ruth. (Sie hatte die Kondome und das Gleitgel im Nachttisch ihres Vaters entdeckt, als sie neun oder zehn war.)
»Wo ist dein Vater eigentlich?« wollte Scott wissen.
»Weiß ich nicht.«
»Du erwartest ihn also nicht zurück?«
»Wenn ich raten müßte, würde ich sagen, ich erwarte ihn irgendwann morgen vormittag zurück«, sagte Ruth.
Scott betrachtete die vielen Kondome in der offenen Schublade. »Mein Gott, ich habe kein Kondom mehr übergezogen, seit ich im College war«, sagte er.
»Jetzt wirst du eins überziehen müssen«, erklärte Ruth. Sie nahm das Handtuch von ihrer Hüfte; dann setzte sie sich nackt auf das ungemachte Bett. »Falls du vergessen hast, wie das geht, kann ich deinem Gedächtnis auf die Sprünge helfen«, fügte sie hinzu.
Scott entschied sich für ein Kondom in einer blauen Hülle. Er küßte sie lange, und dann leckte er sie noch länger; sie brauchte nichts von dem Gel aus dem Nachttisch ihres Vaters. Sie kam, nur wenige Sekunden nachdem er in ihr war, und sie spürte, daß er gleich darauf kam. Fast die ganze Zeit, vor allem aber, während Scott sie leckte, behielt Ruth die offene Schlafzimmertür im Auge; sie lauschte, hoffte die Schritte ihres Vaters auf der Treppe oder auf dem Gang zu hören, vernahm aber nur das klickende Geräusch im Wäschetrockner. (Der Deckel des Reisdämpfers klapperte nicht mehr; der Reis war fertig.) Und als Scott in sie eindrang und ihr klar war, daß sie gleich kommen würde – alles andere würde auch sehr schnell vorbei sein –, dachte Ruth: Komm nach Hause, Daddy! Jetzt! Ich möchte, daß du hereinkommst und mich siehst!
Aber Ted kam nicht rechtzeitig nach Hause, um seine Tochter so zu sehen, wie sie es sich gewünscht hätte.
Schmerz an einer ungewohnten Stelle
Hannah hatte zuviel Sojasauce für die Marinade verwendet. Und die Shrimps waren in den über vierundzwanzig Stunden in der Marinade labberig geworden; sie schmeckten nicht mehr nach Shrimps. Doch das konnte Ruth und Scott nicht davon abhalten, sie aufzuessen, dazu den ganzen Reis und das Pfannengemüse – und dann noch eine Art Gurkenchutney, das schon bessere Zeiten erlebt hatte. Sie tranken eine zweite Flasche Weißwein, und zu Käse und Obst machte Ruth noch eine Flasche Rotwein auf. Auch die tranken sie aus.
Sie aßen und tranken, bekleidet nur mit einem Handtuch um die Hüften, Ruth mit trotzig entblößten Brüsten. Sie hoffte, ihr Vater würde ins Eßzimmer kommen, aber er kam nicht. Und obwohl die Mahlzeit mit Scott Saunders unbeschwert und heiter verlief und ihre spannungsgeladene sexuelle Begegnung erfolgreich verlaufen war, gestaltete sich das Tischgespräch mühsam. Scott erzählte, daß seine Scheidung »freundschaftlich« über die Bühne gegangen sei und er jetzt »ein freundschaftliches Verhältnis« zu seiner Exfrau habe. Frisch geschiedene Männer sprachen grundsätzlich zuviel über ihre Exfrauen. Wenn die Scheidung wirklich »freundschaftlich« verlaufen war, wozu darüber reden?
Ruth erkundigte sich, auf welches Gebiet sich Scott als Anwalt spezialisiert habe, aber er meinte, es sei nicht besonders interessant; es hatte etwas mit Immobilien zu tun. Er gestand ihr, daß er keinen ihrer Romane gelesen hatte. Den zweiten, Vor dem Fall Saigons , hatte er angefangen, weil er glaubte, es handle sich um einen Kriegsroman. (Als junger Mann hatte er alles darangesetzt, um nicht zum Vietnamkrieg eingezogen zu werden.) Aber er hatte das Buch, wie er sagte, als »Frauenroman« empfunden. Bei diesem Attribut mußte Ruth immer unweigerlich an ein breitgefächertes Sortiment weiblicher Hygieneartikel denken. »Es ging doch um Freundschaft zwischen Frauen, oder?« fragte er. Seine Exfrau hatte alle Bücher von Ruth Cole gelesen. »Sie ist dein größter Fan«, sagte er. (Schon wieder die Exfrau!)
Dann fragte er Ruth, ob sie »mit jemandem gehe«. Sie versuchte ihm von Allan zu erzählen, aber ohne einen Namen zu nennen. Das Thema Ehe beschäftigte sie unabhängig von Allan. Sie finde den Gedanken, zu heiraten, äußerst reizvoll, erklärte sie Scott, habe aber gleichzeitig eine geradezu lächerliche Angst davor.
»Heißt das, das Heiraten reizt dich mehr, als es dir angst macht?« fragte der Anwalt.
»Wie lautet gleich wieder dieses Zitat von George Eliot? Es hat mir früher einmal so gut gefallen, daß ich es mir aufgeschrieben habe«, sagte Ruth. »›Gibt es etwas Schöneres für zwei Menschen als das Gefühl,
Weitere Kostenlose Bücher