Witwe für ein Jahr (German Edition)
Nachdem Eddie Marion an jenem Abend gesehen hatte, und zwar allein, hielt er von da an sowohl in Southampton als auch in East Hampton Ausschau nach ihrem Wagen. Obwohl er ihn ein- oder zweimal entdeckte, sah er Marion nie wieder in einem Kino.
Sie ging fast jeden Abend aus; sie aß nur selten mit Ruth und kochte nie für sich selbst. Eddie nahm an, daß sie zum Essen ausging, vermutlich in gehobenere Restaurants als er. Und er wußte auch, daß seine wöchentlichen fünfzig Dollar nicht lange ausreichen würden, wenn er sich angewöhnte, in besseren Restaurants nach ihr Ausschau zu halten.
Was die Frage betraf, wie Ted seine Abende verbrachte, stand nur fest, daß er nicht mit dem Auto fahren konnte. Im Kutscherhaus stand ein Fahrrad, aber Eddie hatte ihn nie damit fahren sehen. Eines Abends, als Marion ausgegangen war, klingelte das Telefon im Coleschen Haus, und das gerade anwesende Kindermädchen nahm ab; es war der Barkeeper eines Restaurants mit Bar in Bridgehampton, in dem Mr. Cole fast jeden Abend speiste und trank (wie der Mann behauptete). An diesem Abend habe Mr. Cole ungewöhnlich wackelig auf seinem Fahrrad gewirkt, als er weggefahren sei. Er rufe nur an, um sich zu vergewissern, daß Mr. Cole wohlbehalten zu Hause angekommen sei. Eddie fuhr nach Bridgehampton und schlug den Weg zum Kutscherhaus ein, den Ted vermutlich genommen hatte. Und siehe da, Ted strampelte mitten auf der Ocean Road dahin und schwenkte, als Eddies Scheinwerfer ihn erfaßten, von der Fahrbahn auf den unbefestigten Randstreifen. Eddie hielt an und fragte ihn, ob er mitfahren wolle. Es war nur noch eine knappe halbe Meile.
»Ich fahre selbst!« erklärte Ted und winkte ihn weiter.
Eines Morgens, nachdem Ted im Kutscherhaus geschlafen hatte, hing der Geruch einer anderen Frau in den Kissen im Schlafzimmer; er war viel kräftiger als Marions Duft. Er hat also eine andere Frau! dachte Eddie, der noch nicht wußte, daß Ted bei jungen Müttern immer nach dem gleichen Muster vorging. (Die derzeitige hübsche, junge Mutter stand ihm an drei Vormittagen in der Woche Modell – anfangs mit ihrem kleinen Sohn, später allein.)
Was seine und Marions Trennung anging, hatte Ted zu Eddie lediglich gesagt, es treffe sich recht unglücklich, daß sein Job hier ausgerechnet in »eine so traurige Phase innerhalb einer so langen Ehe« falle. Zwar implizierte er damit, daß die »traurige Phase« möglicherweise vorüberging, aber je mehr Eddie von der zwischen Ted und Marion herrschenden Distanz mitbekam, desto überzeugter war er, daß diese Ehe nicht mehr zu retten war. Außerdem hatte Ted nur von einer »langen« Ehe gesprochen; davon, daß sie gut oder glücklich gewesen sei, hatte er nichts gesagt.
Und doch konnte Eddie erkennen, wenn auch nur auf den zahlreichen Fotos von Thomas und Timothy, daß es gute und glückliche Zeiten gegeben haben mußte und daß das Ehepaar Cole früher auch einmal Freunde gehabt hatte. Das belegten Fotos von Dinnerpartys mit anderen Familien und von anderen Paaren mit Kindern; auch Thomas und Timothy hatten mit anderen Kindern Geburtstag gefeiert. Obwohl Marion und Ted nur selten auf diesen Fotos zu sehen waren – immer standen Thomas und Timothy oder zumindest ihre Füße im Mittelpunkt –, gab es genügend Hinweise darauf, daß die beiden einmal glücklich gewesen waren, wenn auch nicht unbedingt glücklich miteinander. Selbst wenn sie nie eine gute Ehe geführt haben sollten, hatten sie doch viele schöne Zeiten mit ihren Söhnen erlebt.
Eddie konnte sich nicht an so viele schöne Zeiten erinnern, wie er sie hier im Übermaß abgebildet sah. Und er fragte sich, was aus Teds und Marions Freunden geworden war. Außer den Kindermädchen und den Modellen (oder dem jeweiligen Modell) kam nie jemand ins Haus.
Während Ruth mit ihren vier Jahren schon begriff, daß Thomas und Timothy jetzt in einer anderen Welt lebten, hatte Eddie den Eindruck, daß diese Jungen auch aus einer anderen Welt gekommen waren. Sie waren geliebt worden.
Alles, was Ruth lernte, lernte sie von ihren Kindermädchen; Eddie ließen diese Mädchen weitgehend unbeeindruckt. Die erste war von hier und hatte einen brutal aussehenden Freund, der ebenfalls aus dieser Gegend stammte – jedenfalls nahm Eddie das aus seiner Perspektive als Exonianer an. Der Freund war Rettungsschwimmer und verfügte über jene unerläßliche Unempfindlichkeit gegenüber Langeweile, die man als Rettungsschwimmer braucht. Er setzte das Kindermädchen jeden Morgen am
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