Wizards of Nevermore Bd. 1 - Eine Hexe in Nevermore
Schande für Nevermore.«
»Ich wollte gerade sagen ›eine Warze an einem Koboldarsch‹, aber deine Beschreibung hat eindeutig mehr Klasse.«
Sie grinsten sich an.
In diesem Moment kam Cathleen durch die Schwingtür aus der Küche. Sie blieb hinter der langen Resopaltheke stehen und begutachtete mit einem Blick die Gäste, der dem eines Henkers für den Todeskandidaten glich. Ihrer Trauer verlieh sie durch das Tragen eines schwarzen Jogginganzugs und schwarzer Turnschuhe Ausdruck.
Kaum hatte ihr wachsames Auge das Grüppchen um Gray erblickt, setzte sie eine bösartige Miene auf. Sie stapfte um den Tresen herum und kam schnurstracks auf sie zu, ihren eisigen Blick auf Lucinda gerichtet.
»Bitte pass auf, dass sie nicht deinetwegen explodiert, Gray«, murmelte Taylor. »Das gibt eine Riesensauerei, und ich müsste dich festnehmen.«
Gray hatte Lust, der Frau einen Feuerball oder, noch besser, einen Blitz entgegenzuschleudern. Oder etwas noch Schlimmeres.
Cathleen pflanzte sich jetzt vor Lucinda auf, die Hände in die Hüften gestemmt. Doch noch bevor sie einen Ton sagen konnte, streckte Lucinda ihr die Hand hin und sagte: »Herzliches Beileid, Miss Munch. Ich kannte Marcy nicht wirklich, aber sie schien ein sehr nettes Mädchen zu sein.«
Es war erstaunlich, wie ruhig und ernst Lucinda mit dieser widerlichen Person sprach. Sie hielt Cathleens Blick stand, und in ihrer Miene war ehrliches Mitleid zu lesen.
Cathleen trat einen Schritt zurück und starrte sie an, als hätte sie die Pest. »Auf die Beileidsbekundungen einer Rackmore kann ich verzichten!«, zischte sie. »Raus hier!«
Die Umstehenden hielten die Luft an. Leises Gemurmel erfüllte den Raum. Ihre Unhöflichkeit hätte man der trauernden Stiefmutter vielleicht noch nachgesehen, doch diese Ungastlichkeit – nein, das war unverzeihlich und beleidigend. Selbst eine Rackmore-Hexe hatte das Recht, um Marcy zu trauern.
Lucinda ließ ihre Hand sinken. Sie war rot geworden vor Scham, doch jetzt reckte sie das Kinn trotzig nach vorn. Dadurch wirkte sie wie eine abgesetzte Königin, die nicht auf ihre Krone verzichten wollte. »Wir sehen uns zu Hause«, sagte sie leise.
»Einen Teufel werden wir!« Gray trat neben Lucinda und sah Cathleen wütend an. »Sie entschuldigen sich sofort bei meiner Frau.«
»Ihrer … Frau?« Cathleen wurde aschfahl. Mit einer speckigen Hand fasste sie sich an den Hals.
»Ich habe sie höchstpersönlich getraut«, stellte Taylor mit Genugtuung fest und schob seinen Hut nach hinten. »Na los, Miss Cathleen. Gratulieren Sie dem Hüter und seiner Frau.«
Sie zuckte so heftig zurück, dass sie einen Tisch umstieß und rücklings auf dem Fußboden landete.
Gray tauschte einen verwunderten Blick mit Lucy, dann betrachteten beide die auf dem Boden liegende Frau.
»Gut«, sagte Taylor. »Besser geht’s eigentlich nicht.«
Ren und Trent standen ein paar Schritte hinter Cathleen, doch nur der Hilfssheriff machte Anstalten, ihr behilflich zu sein. Gray hatte keine Lust, diese Irre auch nur zu berühren, und Taylor ging es offensichtlich nicht anders. Trents Miene verhieß, dass er lieber Mist schaufeln als Cathleen Munch zu Hilfe eilen würde.
»Ein Schluck Wasser? Eine Salzstange vielleicht?« Ren war einfach zu liebenswürdig.
Cathleen wagte es nicht, ihn anzusehen. Sie hob nicht einmal den Blick. Plötzlich sah sie klein und zusammengeschrumpelt aus, wie eine Pflaume, die zu lange in der Sonne gelegen hatte. »Lass mich einfach in Ruhe.«
Dann sprang sie mit einem Mal auf. Mit wild rollenden Augen stellte sie sich in die Mitte des Raums und deutete mit dem Zeigefinger auf Gray. »Da ist der Dämon! Und die Braut des Dämons!« Sie spuckte sie an, doch ihr Speichel tropfte bloß auf den Fußboden. »Die Calhouns haben meinen Vater umgebracht! Und jetzt haben sie sich eine Rackmore-Hexe für die Drecksarbeit geholt. Ihr sollt beide in der Hölle verbrennen!«
Totenstille. Cathleens plötzlicher Ausbruch überraschte Gray, und die Gesichter der anderen Anwesenden verrieten dasselbe. Die Frau trollte sich zurück hinter ihren Tresen und verschwand in der Küche. In diesem Moment verstärkte sich die unangenehme Atmosphäre. Gray hatte das Gefühl, ersticken zu müssen. Den anderen musste es genauso gehen.
Er hatte genug von dieser Farce.
»Wir werden Marcy vermissen«, richtete er sich an die Anwesenden. »Sie war ein liebes Mädchen, das es verdient hätte, länger zu leben. Sheriff Mooreland hat mir versichert, dass er
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