Wizards of Nevermore Bd. 1 - Eine Hexe in Nevermore
mit Mädchen aus, die so vulgär reden.«
»Warum? Sollen sie sich lieber vulgär benehmen?«
»Leider bist du noch zu jung, um das herauszufinden.«
Das kotzte sie jetzt echt an. Und brachte sie zum Schweigen. Sie war nicht zu jung, für gar nichts. Wenn sie auch ein magisches Wesen wäre wie ihr Loser von Vater, dann wäre sie jetzt schon volljährig. Als Magier war man mit sechzehn volljährig, nicht erst mit achtzehn. Denn magische Wesen wurden schneller reif und lebten im Übrigen auch länger. Na, egal. Sie hatte keine Ahnung, wieso dieser Ant sich wegen seiner magischen Begabung so anstellte. Sie selbst besaß keine Zauberkraft, aber sie konnte die von anderen spüren. Und er besaß definitiv Zauberkraft.
Verärgert schaute sie aus dem Fenster. Weideland. Der Wind wehte durchs geöffnete Fenster den Duft von Erde in den Wagen. Sie kräuselte die Nase, als der Gestank von Dung sich dazumischte, der von einer Rinderherde stammte, hinter einem Zaun neben der Straße. Als der Pick-up an ihnen vorbeifuhr, hoben die Tiere ihre braunen Köpfe.
Es war so ruhig hier. So friedlich. Vielleicht konnten sie und Lucinda ja in Nevermore bleiben. Vielleicht war es hier sicher, auch wenn Bernard nicht tot war.
Er wird niemals aufgeben, Happy. Niemals. Wir müssen uns trennen. Sobald ich zu dir kommen kann, werde ich es tun.
Wenn.
Lucinda ließ sie in der Obhut der Nonnen, denn solange Happy bei ihr war, konnte er sie aufspüren. Doch das Kloster stand auf neutralem Boden, und weder Zauberer noch Hexen durften das Grundstück ohne Einwilligung der Nonnen betreten. Ihr war klar gewesen, dass Lucinda nicht zurückkommen würde. Aber nicht, weil sie es nicht wollte, sondern weil Bernard es nicht zulassen würde.
Also blieb sie bei den Nonnen. Sie wollte Lucinda auf keinen Fall Sorgen bereiten. Dann würde sie Fehler machen – und dann würde Bernard sie finden. Er war wirklich wütend auf Lucinda und auch auf sie, Happy. Aber Happy würde er nichts antun – jedenfalls nichts Schlimmes. Aber Lucinda würde er schlimm wehtun. Er war der gemeinste Mensch, den sie kannte.
Ihr Magen krampfte sich zusammen, und sie hatte das Gefühl, sich übergeben zu müssen.
Sicher hätte Lucinda sie nicht verlassen, wenn Happy sie darum gebeten hätte, sie bedrängt hätte, zu bleiben. Denn Lucinda war genauso allein wie sie. Und Happy liebte sie. Es war schwer, jemanden zu verlassen, der einen liebte. Doch Lucinda hatte diese schwere Entscheidung für sie beide getroffen.
Und jetzt musste Happy eine schwere Entscheidung treffen.
»Wen willst du denn besuchen?«
Einen Moment lang überkam Happy das Bedürfnis, in Tränen auszubrechen und diesem Ant alles zu erzählen. Sie wollte jemandem die Wahrheit über sich mitteilen, über ihr Leben. Aber sie kannte ihn nicht, und wie konnte man einem Typen mit dem Namen Ant trauen?
»Das geht dich nichts an«, sagte sie deshalb.
»Ich werde dich aber nicht einfach an einer Ecke rauslassen.«
»Wieso nicht? Du bist nicht verantwortlich für mich.«
»Alte Tramperregel. Derjenige, der jemanden mitnimmt – in diesem Fall ich –, muss dafür sorgen, dass die mitgenommene Person – in diesem Fall du – sicher an ihrem Ziel ankommt. Oder er riskiert den Zorn der Mütter von Nevermore.«
»Das hast du doch gerade erfunden.«
»Offensichtlich ist dir noch nie eine Mutter aus Nevermore untergekommen. Sie sind furchterregend. Und wissen sehr gut, wie man mit dem Nudelholz umgeht.«
»Ich wette, du hast schon ganz schön was abgekriegt.«
»Auf jeden Fall. Aber nicht, weil ich eine Anhalterin mitten auf der Straße rausgelassen habe.« Ant warf ihr einen freundlichen Blick zu.
»Wie viele hast du schadensfrei abgeliefert?«
»Keine«, erwiderte er. »Du bist die erste Anhalterin, die ich mitnehme. Schon allein deshalb musst du verstehen, warum ich dich unbedingt sicher an dein Ziel bringen möchte.«
»Du meinst, damit du eben nicht mit dem Nudelholz traktiert wirst?«
Er lachte. »Genau.«
Plötzlich wurde es Happy ganz heiß. Die Hitzewallung überwältigte sie. Sie erstarrte und schnappte nach Luft. Was war das?
»Mist.« Ant fuhr an den Straßenrand und schaltete die Innenbeleuchtung an. Er betrachtete sie mit sorgenvoller Miene. »Stimmt was nicht?«
»Magie«, flüsterte sie. »Sehr viel davon.«
»Hast du nicht gesagt, du wärst kein magisches Wesen?«
»Ich kann Magie spüren, aber sie nicht anwenden.«
»Bist du wieder okay?«
»So was hatte ich noch nie. Es fühlt sich an
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