Wo der Pfeffer wächst (Sonderpreis bis zum 31.07.2012) (German Edition)
Antwort „ eine andere Familie “ gelautet, doch Bernd gegenüber traue ich mich nicht, es auszusprechen. Immerhin bin ich ja nicht unwesentlich daran schuld, dass er momentan auch keine Ruhe vor den Hinterwäldler-Hausener-Bundys hat. Da erscheint es mir unpassend, mich einfach so aus der Affäre zu winden. Doch dieses ganze Meine-Mutter-Thema ist derweil leider nicht mein einziges Problem. Zwischenzeitlich bin ich nämlich auch noch zu einem nervtötenden Teenager mutiert. Darüber hinaus sind mit den anstrengenden Angewohnheiten leider auch meine Pickel zurückgekehrt. Ich hasse das, kann es bei all dem Stress, den ich mir jeden Tag bezüglich meines Outfits mache, jedoch nicht verhindern.
Obwohl Herr Schneemann wegen seiner zahlreichen Außerhaustermine an einigen Tagen gar nicht in der Kanzlei auftaucht, stelle ich an mich selbst den Anspruch, für den Notfall gewappnet zu sein. Besonders häufig laufe ich ihm in der Küche beim Kaffee-Holen über den Weg, was gleichzeitig dazu geführt hat, dass mein Kaffee-Konsum ins Unermessliche gestiegen ist. Deshalb sitzt meine Frisur täglich perfekt, und meine Kleidung ist dermaßen gut aufeinander abgestimmt, dass ich den Verdacht habe, von Lukas aus der Buchhaltung angebaggert zu werden. Sunnys Worten zufolge soll er nichts anbrennen lassen, was meinen Stresspegel bedauerlicherweise noch weiter in die Höhe treibt. Schon wieder so ein aufgeblasener Gockel!
Doch all der Anstrengungen, die ich unternehme, um Herrn Schneemann zu gefallen, zum Trotz, halte ich an meinem Grundsatz fest. Er ist und bleibt tabu. Keine Ahnung, warum er mich dennoch weiterhin derart fasziniert, dass ich mein halbes Leben nach ihm ausrichte.
Nachdem Sunny und ich unsere Wohnung an einem lauschigen Freitagabend in Schuss gebracht haben, setzen wir uns bei einem Glas trockenem Rotwein gemütlich auf die Dachterrasse. Seit meinem ersten Abend in Hamburg ist mein Weinkonsum jede Woche um einhundert Prozent angestiegen. Und das nicht etwa weil er billig ist, denn Sunny bezieht ihn ausschließlich aus dem Fachhandel, sondern weil er irgendwie doch ganz gut schmeckt. Daraus schließe ich, dass sich meine alkoholischen Vorlieben in den vergangenen elf Jahren ein bisschen verändert haben.
Zuerst führe ich mit ihr einen Persönlichkeitstest zum Thema „Natürlichkeit“ im Internet durch. Neben den Fragen, wie viel Geld sie im Monat für Kosmetikartikel ausgibt und wie viel Zeit sie täglich mit Styling verbringt, interessiert mich vor allem eine ganz andere Sache.
„Haben Sie schon einmal eine Schönheits-OP an sich durchführen lassen?", denke ich mir eine nicht vorhandene Frage aus und habe auch gleich noch die dazu passenden Antworten parat. „A, ja, eine Brustverkleinerung, b, ja, eine Brustvergrößerung, oder c, nein, ich lasse mir gelegentlich nur ein wenig Botox spritzen."
„Gibt es noch eine Antwort d?“, fragt Sunny stirnrunzelnd.
Nanu, hat sie mich jetzt etwa ertappt? „Nur a, b und c“, entgegne ich nervös.
„Aber ich habe noch nie irgendwas in der Richtung an mir machen lassen. Die vorgegebenen Aussagen sprechen jedoch alle dafür."
„Ach wirklich?", erwidere ich unschuldig. „Na dann lassen wir diese Frage doch einfach aus!"
Na super ... Das ist ja mal wieder ganz prima gelaufen. Nicht nur, dass mein Plan wieder einmal höchst bescheiden durchdacht gewesen ist, jetzt habe ich auch noch die Gewissheit, dass alles an ihr zu einhundert Prozent echt ist. Glücklicher macht mich das nun auch wieder nicht.
Im Anschluss an den Test beschwere ich mich, um auf andere Gedanken zu kommen, wieder einmal über die Aufdringlichkeit der bisher kennengelernten Männer.
Das lässt Sunny mit den Augen rollen. Mit meiner überforderten Auffassung stoße ich bei ihr leider auf wenig Gegenliebe. Sie findet, dass ich übertreibe und versteht nicht, dass ich mich nicht wenigstens ein bisschen über diese Art von Aufmerksamkeit freuen kann. Ich persönlich wüsste allerdings nicht, worüber ich mich da freuen sollte. Nach einer wenig liebevollen Kindheit und den selbstverliebten Typen, mit denen ich bisher schon mein Bett, meinen Kühlschrank, mein Fernsehgerät und alles andere, was mir sonst noch so gehört hat, geteilt habe, hätte ich gerne mal jemanden, der mich liebt. Und wenn ich wählen dürfte, dann gerne auch genauso, wie ich bin.
Doch all diese Dinge erwähne ich Sunny gegenüber wieder einmal nicht, sondern lächle nur und verspreche, meine Ansichten noch einmal zu
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