Wo der Pfeffer wächst (Sonderpreis bis zum 31.07.2012) (German Edition)
die zweite Rotweinflasche den gestrigen Abend nicht überlebt hat, haben Sunny und ich anschließend noch das Schicksal ihres Modemagazins besiegelt. Die einzelnen Seiten sind von uns zu mehr oder weniger schönen Segelfliegern umfunktioniert worden und zieren nun die umliegenden Straßen unseres Wohngebäudes. Den Wettkampf der Hamburger-Papierflugzeugmeisterschaften hat Sunny gegen mich zwanzig zu drei gewonnen. Hätte sie mir vorher erzählt, dass sie diesen Sport schon seit dem zarten Alter von acht Jahren ausübt, hätte ich sie bereits nach dem fünften Sieg allein stehen lassen und wäre früher zu Bett gegangen.
An diesem Nachmittag gehen wir zusammen shoppen, denn abends möchten wir schick ausgehen. Nach einem vierstündigen Einkaufsmarathon bettle ich Sunny um eine Pause an. Die Frau ist einfach nicht tot zu kriegen. Breit grinsend und mit einer kerzengeraden Haltung, marschiert sie auf ihren Stöckelschuhen von einem Geschäft zum anderen und verschafft sich von der jeweiligen Auswahl einen derart schnellen Überblick, dass selbst den Verkäuferinnen schwindelig wird.
Als ich Sunny endlich zu einem Snack überzeugt habe, landen wir schließlich in einem netten Bistro nahe der Alster mit Namen „ Rudi’s “.
Ohne vorher einen Blick in die Karte zu werfen, bestelle ich mir einen halben Liter Wasser und ein großes Sandwich.
Sunny staunt nicht schlecht, als ich mir das Wasser in drei Zügen hinter die Binde kippe. Damit sollte ich sie endlich davon überzeugt haben, dass meine Erschöpfung nicht nur den herrlichen, sommerlichen Temperaturen zuzuschreiben ist.
Der Besitzer und Namensgeber des Lokals, Rudi, ist ausgesprochen nett. Weil Sunny und ich gerade die einzigen Gäste sind, bekommt er gezwungenermaßen unsere Gespräche bezüglich des Einkaufsbummels – wie Sunny es zu nennen pflegt – mit. Ich sage ihr, dass dies keinesfalls ein Bummel gewesen sei, denn sie wäre gelaufen, als würde es morgen nichts mehr geben. Darauf erwidert sie, dass diese Annahme keinesfalls so abwegig wäre, denn sonntags hätten schließlich fast alle Geschäfte geschlossen.
Als ich ihr unterstelle, in Wahrheit eine Bewohnerin des fernen Planeten Duracell zu sein, die auf die Erde gekommen wäre, um die Grenzen einer vom Leben gebeutelten Hinterwäldlerin zu erforschen, kringelt Rudi sich vor Lachen. Er bezeichnet uns als erfrischende Abwechslung und serviert jedem gratis zwei große Kugeln Eis zum Nachtisch. Wir freuen uns über diese Aufmerksamkeit und kommen mit ihm ins Gespräch.
Rudi erzählt, dass sein Bistro im nächsten Monat sein zwanzigjähriges Jubiläum feiert und er sich seinerzeit damit einen Traum verwirklicht hat. Und obwohl er mittlerweile schon sechzig Jahre alt ist, macht es ihm noch genauso viel Spaß, wie am Anfang. Der Mann ist sympathisch, und wir beschließen kurzerhand, das „ Rudi’s “ künftig zu unserem Stammbistro zu erklären.
Nachdem wir uns gegenseitig noch einmal zwei Stunden lang unsere neu erbeuteten Kleidungsstücke präsentiert haben, ziehen wir in Richtung Reeperbahn.
Sunny trägt ihre neue Jeans, schwarze Pumps und ein Shirt, dessen Ausschnitt nicht nur mir die Augen rausfallen lässt. Ich trage eine weiße Hose, weiße Sandalen und ein knallpinkfarbenes Oberteil mit einem tiefen Wasserfallausschnitt am Rücken. Darunter kann man natürlich keinen BH anziehen, doch ich beschließe einfach, mir so viele Cocktails zu genehmigen, wie nötig sind, damit es mir gleichgültig ist.
Zugegeben, ein BH zaubert eine hübsche Rundung und kann einen kleinen Busen größer aussehen lassen. Auf der anderen Seite bin ich aber auch der Meinung, dass dieses Kleidungsstück eine Innovation moderner Foltermethoden ist. Ich persönlich habe jedenfalls noch nie einen BH besessen, der mich nach mindestens sechs Stunden Tragezeit nicht in den Wahnsinn getrieben hat. An allen Ecken zwicken die Dinger. Und den Busen halten sie auch nicht immer dort, wo er sein sollte. Obwohl BHs dazu da sind, alles in Form zu halten und ihre Trägerinnen dadurch noch attraktiver wirken zu lassen, verrutscht andauernd irgendwas. Das daraus resultierende ständige Herumgezupfe und Zurechtgerücke bewirkt dann das Gegenteil, denn es lässt einen wie eine Durchgeknallte mit Zwangsneurose erscheinen.
Befinde ich mich in der Kanzlei, lasse ich die Qualen schweigend über mich ergehen. Welche Frau möchte schon, dass ihre männlichen Arbeitskollegen über Form und Größe ihres Busens Bescheid wissen, obwohl kein
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