Wo die Liebe beginnt
Handtasche, und mein Vater erklärt ihr, wie sie zurück ins Hotel kommt. Ich gehe schon mal in den Flur und warte auf sie. Hoffentlich kommt niemand von meiner Familie nach. Kurz darauf stehe ich mit Marian und Conrad vor seinem Auto. Es ist noch nicht dunkel, aber es sieht aus, als bekämen wir ein Gewitter. In der Ferne donnert es.
»Also«, sagt Marian nach einigen Sekunden. »Vielen Dank für die Einladung.«
»Ja, danke, Kirby«, fügt Conrad hinzu.
»Es war eine wirklich schöne Feier. Ein schöner Tag«, sagt Marian.
Ich nicke. Irgendwie habe ich einen Kloà im Hals. Ich möchte ihnen so viele Dinge sagen, aber plötzlich fällt mir nichts mehr ein. Das, was ich sagen wollte, ist nur noch ein Gefühl .
»Schön, dass ihr beide da wart«, bringe ich schlieÃlich heraus. Wie seltsam, mit den beiden Menschen zusammen zu sein, von denen ich abstamme! Das ist etwas, das die meisten Leute ganz selbstverständlich finden, aber ich hätte nie gedacht, dass ich es jemals erleben würde. Vor allem nicht heute, an einem so wichtigen Tag.
»Wir sind so stolz auf dich«, sagt Marian.
Conrad nickt zustimmend, sieht über ihr »wir« hinweg und fügt sogar hinzu: »Schade, dass es nicht unser Verdienst ist.«
Ich lächele und atme tief durch. Dann umarme ich beide, zuerst Marian, dann Conrad, und irgendwie wird das Ganze bald zu einer vorsichtigen Dreier-Umarmung. Ich unterdrücke die Tränen, die aus dem Nichts zu kommen scheinen, und verabschiede mich ein letztes Mal. Dieses Mal weià ich aber, dass es kein Abschied für immer sein wird.
Nachdem ich ein paar Schritte nach hinten getreten bin und jetzt vom Schatten unseres Hauses umfangen werde, sehe ich zu, wie die beiden in Conrads Auto steigen. Er stöÃt zurück und hupt zweimal â einmal für Marian, einmal für sich selbst. Sie winken mir zu. Dann atme ich noch einmal tief durch und gehe wieder ins Haus zu meiner Familie zurück.
34 â Marian
Ich kann die Gedanken an die Vergangenheit nicht verdrängen, als ich bei Conrad im Auto sitze. Mehrere Stunden lang waren wir mit Kirby und ihrer Familie zusammen, und das muss ich erst einmal verarbeiten â die bewegende Abschlussfeier, den angespannten Moment, als ich ihre Eltern kennengelernt habe, Conrads unwirkliches Auftauchen, den ganzen Abend, den wir mit Kirbys Kinderfotos und vielen Anekdoten verbracht haben. Für Lynn und Art ist es sicher nicht leicht gewesen, einen so wichtigen Abend mit Fremden zu verbringen, auch wenn wir Kirbys Blutsverwandte sind. Weil wir Kirbys Blutsverwandte sind. Ich freue mich für sie und sehe zuversichtlich in die Zukunft, aber es ist auch hart für mich zu begreifen, wie viel ich verpasst habe â und das bekomme ich nicht zurück, egal wie viele Fotos von Kirby ich mir ansehe oder wie viele Geschichten über sie ich zu hören bekomme. Das, was ich gesagt habe, meinte ich aufrichtig â dass ich die beste Entscheidung für sie getroffen habe â, aber ich muss zugeben, dass ich trotzdem das Gefühl eines groÃen Verlustes empfinde. Was wäre gewesen, wenn?
In diesem Moment allerdings denke ich an Conrad und nur an Conrad. Diese Erinnerungen habe ich den ganzen Tag über unterdrückt, sogar, als er so nah neben mir stand, dass ich seinen altvertrauten Duft wahrnehmen konnte, aber jetzt kommt alles zu mir zurück, in einer mächtigen Bilderflut, gegen die ich mich nicht wehren kann. Ich muss gegen den Drang ankämpfen, ihm meine Hand auf den Oberschenkel zu legen, so wie früher, wenn wir in seinem schwarzen Mustang herumgefahren sind.
»Fahr ab auf die I-44 «, sage ich, von der Wegbeschreibung ablesend, die Art vorhin auf eine Serviette gekritzelt hat. Ich möchte jeden Kilometer, jede Sekunde mit ihm genieÃen und wünsche mir inständig, Conrad würde ein bisschen langsamer fahren â oder wenigstens das Radio etwas leiser stellen und mit mir reden.
Er nickt. »Okay.«
Verstohlen betrachte ich sein Profil, aber er schaut plötzlich in meine Richtung und ertappt mich dabei.
»Was denn?«, fragt er. In seiner Stimme liegt keine Feindeligkeit, aber auch keine Wärme. Rein gar nichts. Eine Sekunde lang sehne ich mich beinahe nach seinem Zorn zurück.
»Nichts«, sage ich und starre geradeaus auf die StraÃe. Die Landschaft ist austauschbar, wir könnten uns überall befinden.
Er seufzt,
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