Wo die Liebe beginnt
heiraten?«
Mit sechsunddreiÃig, nach zwei Jahren Beziehung mit Peter, beschäftigt mich die Frage schon eine ganze Weile, und auch meine Freundinnen reden gerne darüber. Aber heute Abend habe ich das Thema zum ersten Mal direkt angesprochen und bereue meinen Mangel an Beherrschung sofort. Ich stelle mich auf eine unbefriedigende Antwort ein. Tatsächlich, die Stimmung kippt augenblicklich. Ich spüre, wie er seinen Arm anspannt. Ich sage mir, dass das ja kein schlechtes Zeichen sein muss. Es könnte einfach ungeschicktes Timing gewesen sein. Mir kommt sogar der Gedanke, dass er den Ring schon längst gekauft haben könnte â und dass ich ihm bloà den groÃen Auftritt vermasselt habe.
»Ach, vergiss es«, sage ich mit gekünsteltem Lachen, was die Sache nur noch unangenehmer macht. Das ist, als würde man ein »Ich liebe dich« zurücknehmen, oder als wollte man einen One-Night-Stand ungeschehen machen. Ein Ding der Unmöglichkeit.
»Champ«, sagt er und macht eine kurze Pause. »Wir zwei passen so gut zusammen.«
Was er da sagt, ist süÃ, ja, sogar vielversprechend, aber eine Antwort auf meine Frage ist es nicht, und das muss ich ihm gleich aufs Brot schmieren. »Okay. Und das bedeutet? Status quo auf ewig? Standesamt noch heute Abend? Oder irgendwas dazwischen?« Mein Ton ist scherzhaft, und er packt die Gelegenheit beim Schopf, um die Sache herunterzuspielen.
»Vielleicht sollten wir doch ein paar Cupcakes holen«, meint er.
Ich lächele nicht. Der Gedanke an einen hübsch geschliffenen Diamanten, versteckt in einem seiner italienischen Slipper, löst sich augenblicklich in nichts auf.
»Ich hab doch nur Spaà gemacht«, lächelt er und zieht mich zu sich heran. »Könntest du die Frage noch mal wiederholen?«
»Heiraten. Wir beide. Was meinst du?«, frage ich. »Hast du schon mal daran gedacht?«
»Ja, natürlich â¦Â«
Ich spüre, dass ein »Aber« kommt, so wie man den Regen bereits auf dem Gesicht spüren kann, wenn es gerade fürchterlich gedonnert hat. Und da ist es: »Aber meine Scheidung ist gerade erst durchgegangen.« Schon wieder eine schwammige Nichtantwort.
»Verstehe«, entgegne ich und fühle mich abgelehnt, während er in ein dunkles Schaufenster starrt, wie begeistert von dem Letterpress-Briefpapier und den Montblanc-Stiften, die dort ausliegen. Ich nehme mir vor, einen für ihn zu kaufen, denn so langsam gehen mir die Geschenkideen der Kategorie »Was schenkt man jemandem, der schon alles hat« aus. Und Peter ist ziemlich schwierig zu beschenken. Manschettenknöpfe, Unterhaltungselektronik, Wochenendtrips ins rustikale Neuengland, sogar mit einer eigens in Auftrag gegebener Lego-Statue eines Elchs (das inoffizielle Maskottchen seines geliebten Dartmouth College) habe ich ihm schon eine Freude gemacht.
»Aber deine Ehe ist doch längst Vergangenheit. Du lebst seit vier Jahren nicht mehr mit Robin zusammen«, gebe ich zu bedenken.
Dieses Argument habe ich schon oft gebracht, aber noch nie in diesem Zusammenhang, sondern nur, wenn wir mit anderen Paaren zusammen waren und ich den Eindruck vermeiden wollte, ich sei die Schuldige â die Geliebte, die einer anderen den Ehemann gestohlen hat. Wenn ich sehe, dass ein Mann einen Ring am Finger trägt, ist mir ein harmloses Zwinkern schon zu viel; und auch früher, vor Peter, hatte ich nichts übrig für Spielchen dieser Art, Heimlichtuereien und Bindungsängste â oder sonst ein Symptom des Peter-Pan-Syndroms, das anscheinend epidemische AusmaÃe angenommen hat, zumindest in Manhattan. Teilweise ging es mir dabei ums Prinzip, um den Respekt vor mir selbst. Aber es waren auch â ganz pragmatisch â meine Regeln für das Leben um die dreiÃig. Ich wusste genau, was ich wollte. Vor allem, wen ich wollte. Und ich glaubte daran, dass ich mein Ziel erreichen würde, so wie ich mein Ziel, beim Fernsehen Karriere zu machen, erreicht hatte: durch harte Arbeit und Entschlossenheit.
Dieser Weg war nämlich kein leichter gewesen. Direkt nach der Filmhochschule in New York zog ich nach L. A. und arbeitete als kleine Produktionsassistentin bei einer Teenie-Sitcom von Nickelodeon, die leider nur kurze Zeit lief. Nach anderthalb Jahren, in denen ich im Wesentlichen damit beschäftigt war, die Essensbestellungen der Chefs korrekt aufzunehmen, und kein Wort für die Sitcom schrieb,
Weitere Kostenlose Bücher