Wo die Liebe beginnt
auch nicht.«
Das Eis ist noch nicht gebrochen, aber es schmilzt wenigstens ein bisschen. Wir setzen uns an den Tisch, der schon mit unserem besten Service gedeckt ist. Nachdem mein Dad ein Tischgebet gesprochen hat, schaut er auf und sagt: »Also, ich will jetzt nicht gefühlsduselig werden, aber â¦Â«
»Dann lass es, Dad«, murmele ich.
Er hebt eine Hand und sagt: »Nur eine Sache â das verspreche ich.«
Ich verdrehe die Augen. Er sieht Marian an. »Lynn und ich möchten Ihnen für das gröÃte Geschenk danken, das ein Mensch einem anderen nur machen kann. Wir haben Gott darum angefleht. Und er hat uns Sie â und Kirby â gebracht.« Seine Stimme klingt ganz erstickt, und ich bete zu Gott, dass er nicht anfängt zu heulen. »Kirby und Charlotte sind unsere gröÃten Geschenke.«
»Okay, Dad«, sage ich leise. »Lass uns essen.«
»Ja. Das ist alles!«
Marian atmet tief durch, als überlegte sie sich gerade eine angemessene Antwort, sagt dann aber schnell: »Das freut mich. Es war die schwierigste Entscheidung meines Lebens, aber nachdem ich Sie jetzt kennengelernt habe ⦠bin ich mir sicher, dass sie richtig war.« Sie wirft mir einen traurigen Blick zu. »Für Kirby jedenfalls. Sie sind eine wunderbare Familie.«
Ich analysiere ihre Worte. Sie werden mich noch lange begleiten. Für Kirby jedenfalls. Dann bereut sie es also aus ihrer eigenen Perspektive? Oder will sie einfach nur die beste Formulierung dafür finden, dass sie froh ist, mich weggegeben zu haben? Wie auch immer, ich stelle fest, dass es mir genauso geht. Ich würde nichts an meiner Kindheit ändern wollen.
Da klingelt es an der Tür, und alle schauen auf.
»Ist das Belinda?«, fragt mein Dad.
Ich schüttele den Kopf, weil ich genau weiÃ, dass sie bei ihren GroÃeltern ist. »Dann ist es also Philip? Wie nett!«, rät er weiter.
Ich schüttele wieder den Kopf und gehe schnell in den Hausflur, weil ich meinem Dad nicht antworten will. Durch die Scheibe der Haustür sehe ich einen Teil von Conrads Kopf, und mit einem Mal bin ich viel ruhiger. Ich reiÃe die Tür auf und begrüÃe ihn fröhlich.
»Hallo«, sagt er, umarmt mich freundlich und reicht mir ein Geschenk, das aussieht wie ein Buch. »Gratuliere.«
»Danke«, erwidere ich. »Das war aber nicht nötig.«
»Ist nur eine Kleinigkeit«, sagt er. »Ich habe dir einen Song geschrieben. Mit einem tollen Beat und einem Schlagzeugsolo. Und ich hoffe, du möchtest ihn diesen Sommer mit mir zusammen spielen.«
»Cool«, rufe ich und lächele so breit, dass mir der Mund wehtut.
Wir sehen uns an, und erst dann denke ich daran, ihn hereinzubitten. »Wir essen gerade. Marian ist auch da.«
»Hab ich mir schon gedacht«, sagt er. »Ich bleibe nicht lang. Aber ich möchte gern deine Familie kennenlernen.«
Ich bin nicht mehr nervös, eher ein bisschen übermütig, und führe ihn in die Küche, wo alle plötzlich verstummen. Charlotte keucht: »O Gott, das ist er?« Als wäre er ein echter Rockstar. Aber für mich ist er ja auch einer.
Ich nicke lächelnd. »Das ist Conrad.« Dann stelle ich ihm meine Mom, meinen Dad und meine Schwester vor.
Alle begrüÃen sich, und ich sage: »Marian kennst du ja.« Seit ihr beiden miteinander geschlafen habt und ich dabei rausgekommen bin.
»Hallo, Marian«, sagt er. Er ist nicht unbedingt freundlich zu ihr, aber sein Ãrger scheint verflogen.
»Hallo, Conrad«, sagt sie und nimmt ihr Weinglas in die Hand. Sie wirkt verschreckt, so wie auch bei unserem ersten Treffen. Mein Vater holt einen Stuhl und quetscht ihn zwischen mich und Charlotte.
»Haben Sie Hunger?«, fragt meine Mom. »Ich mache Ihnen einen Teller zurecht.«
»Nein, vielen Dank«, erwidert er. »Ich habe schon gegessen, und ich kann auch nicht lange bleiben.«
Charlotte sagt: »Wir haben gerade über Kirbys Musikalität gesprochen. Sie muss sie von Ihnen geerbt haben. Sie sind Musiker, oder?«
Conrad nickt bescheiden. »Deine Schwester hat wirklich Talent. Ich würde ja gern behaupten, dass sie es von mir hat.«
»Das kannst du mit Fug und Recht behaupten«, sagt Marian. Dann wendet sie sich an meine Mutter. »Sie hätten sie zusammen auf der Bühne erleben sollen.«
Natürlich habe ich niemandem davon erzählt, und deswegen
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