Wo die Nacht beginnt
verschwenden, Tantchen hier zu lassen. Was du auch vorhast, sie kommt mit.«
Anders als üblich fuhr sich Matthew von hinten nach vorn durch die Haare.
»Verflucht«, sagte Hancock, den Blick fest auf Matthews Finger gerichtet. Wenn Matthew sein Haar zu einem Hahnenkamm aufstellte, verriet das offenbar auch etwas – nämlich dass sein Quell an kreativen Ausweichmanövern und Halbwahrheiten versiegt war. »Euer einziger Plan war es, Hubbard aus dem Weg zu gehen. Ihr habt keinen anderen. Wir wussten nie genau, ob Ihr ungeheuer tapfer oder ungeheuer dumm seid, de Clermont, aber ich glaube, das hier könnte diese Frage beantworten – und nicht zu Euren Gunsten.«
»Ich hatte vor, Diana am Montag zu Hubbard zu bringen.«
»Nachdem sie zehn Tage in der Stadt war«, sagte Gallowglass trocken.
»Es bestand kein Grund zur Eile. Diana ist eine de Clermont. Außerdem sind wir genau genommen nicht in der Stadt«, ergänzte Matthew sofort. Als ich ihn verwirrt ansah, erklärte er: »Blackfriars gehört eigentlich nicht zu London.«
»Ich werde mich nicht in Hubbards Höhle wagen, um mit ihm über den Verlauf der Stadtgrenzen zu diskutieren«, sagte Gallowglass und klatschte mit den Handschuhen gegen seinen Schenkel. »Er war nicht deiner Meinung, als du 1485 dieses Argument vorbrachtest, damit du die Bruderschaft im Tower unterbringen konntest, als wir den Lancastern zu Hilfe kamen, und er wird heute genauso wenig deiner Meinung sein.«
»Wir sollten ihn nicht warten lassen«, sagte Hancock.
»Wir haben alle Zeit der Welt«, widersprach Matthew wegwerfend.
»Du hast dich nie wirklich mit den Gezeiten beschäftigt, Matthew. Ich gehe davon aus, dass wir auf dem Fluss fahren werden, weil du der Ansicht bist, dass auch die Themse nicht wirklich zur Stadt gehört. Falls dem so ist, kommen wir womöglich schon zu spät. Also los.« Gallowglass deutete mit dem Daumen zur Tür.
Dort erwartete uns Pierre, der sich schwarze Lederhandschuhe über die Hände zerrte. Er hatte seinen gewöhnlichen braunen Umhang gegen einen schwarzen getauscht, der viel zu lang war, um modisch zu sein. Eine silberne Schiene bedeckte seinen rechten Unterarm: eine Schlange, die sich um ein Kreuz wand und über der im oberen Quadranten ein Sichelmond steckte. Es war Philippes Wappen, das sich nur durch den fehlenden Stern und die Lilie von Matthews Wappen unterschied.
Nachdem Gallowglass und Hancock ähnlich ausgestattet waren, hängte Françoise einen passenden Umhang über Matthews Schultern. Der schwere Stoff strich über den Boden, wodurch Matthew noch größer und eindrucksvoller wirkte. Zusammen boten die vier einen einschüchternden Anblick und eine plausible Inspiration für alle je verfassten Menschengeschichten über dunkel verhüllte Vampire.
Am Ende der Water Lane inspizierte Gallowglass die verfügbaren Boote. »Das hier müsste uns alle tragen«, sagte er, auf ein langes Ruderboot deutend, und stieß dann einen gellenden Pfiff aus. Als der neben dem Boot wartende Mann fragte, wohin wir wollten, erging sich der Vampir in einer komplizierten Abfolge von Anweisungen bezüglich unserer Route, des Kais, an dem wir in der Stadt anlegen sollten, und der Besetzung der Ruder. Nachdem Gallowglass ihn angeknurrt hatte, kauerte sich der arme Mann verängstigt unter die Lampe im Bug des Bootes und sah hin und wieder nervös über die Schulter.
»Es wird die Beziehungen zu unseren Nachbarn nicht unbedingt verbessern, wenn wir jeden Fährmann verschrecken, dem wir in London begegnen«, kommentierte ich, während Matthew einstieg, und blickte dabei vielsagend auf die Brauerei nebenan. Hancock hob mich ohne weitere Umstände in die Luft und drückte mich meinem Ehemann in die Arme. Matthews Arm schloss sich um mich, dann schoss das Boot auf den Fluss hinaus. Selbst dem Fährmann stockte bei dem Tempo der Atem.
»Es ist nicht nötig, noch mehr Aufmerksamkeit auf uns zu lenken«, ermahnte Matthew Gallowglass ruppig.
»Willst du rudern, während ich deine Frau warmhalte?« Als Matthew nichts darauf erwiderte, schüttelte Gallowglass den Kopf. »Dachte ich mir doch.«
Der weiche Schein der Lampen auf der London Bridge durchdrang das Dunkel vor uns, und das Klatschen des Wassers verstärkte sich mit jedem Ruderschlag. Matthew behielt das Ufer im Auge. »Leg an den Treppen beim Old Swan an. Ich will wieder im Boot sitzen und flussaufwärts rudern, bevor die Gezeiten wechseln.«
»Still.« In Hancocks Flüstern lag ein scharfer Unterton. »Wir wollten
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