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Wo die Nacht beginnt

Wo die Nacht beginnt

Titel: Wo die Nacht beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Harkness
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versonnen mit dem Finger über das verwitterte Eisen.
    »Wir schließen in diesem Haus keine Bücher ein«, belehrte mich Philippe. »Nur Nahrung, Bier und Wein. Die Lektüre von Herodot oder Thomas von Aquin führt selten zu schlechtem Verhalten.«
    »Es gibt für alles ein erstes Mal«, meinte ich halblaut. »Und wie nennt Ihr den Koch?«
    »Koch.«
    »Nein, ich wollte seinen Namen wissen«, bemerkte ich verwirrt.
    Philippe zuckte mit den Achseln. »Er ist der Koch, also heißt er Koch. Ich habe ihn noch nie anders genannt. Du vielleicht, Matthaios?« Vater und Sohn tauschten einen Blick aus, bei dem ich mich um die Zukunft des wackligen Tisches sorgte, der die beiden trennte.
    »Wenn hier niemand mit Namen angesprochen wird, wie soll ich Euch dann nennen?« Mein Tonfall war so scharf, dass sogar Matthew abgelenkt wurde, der aussah, als werde er im nächsten Moment den Tisch zur Seite stoßen und seinem Vater an die Gurgel gehen.
    »Hier nennen mich alle ›Sire‹ oder ›Vater‹. Was würdet Ihr vorziehen?« Philippe klang samtweich und gefährlich zugleich.
    »Nenn ihn einfach Philippe«, grummelte Matthew. »Er hat unzählige Titel, aber bei denen, die ihn am besten treffen, würdest du dir die Zunge verbrennen.«
    Philippe lächelte seinen Sohn an. »Du hast vielleicht den Verstand verloren, aber nicht deinen Kampfgeist, wie ich sehe. Überlass deiner Frau den Haushalt, und komm mit mir reiten. Du siehst aufgedunsen aus, du musst dich wieder mal richtig anstrengen.« Er rieb sich voller Vorfreude die Hände.
    »Ich werde Diana nicht alleine lassen«, gab Matthew zurück. Er fummelte nervös an einem riesigen silbernen Salzfass herum, dem Vorfahren des schlichten Salzstreuers, der neben meinem Herd in New Haven stand.
    »Warum nicht?«, schnaubte Philippe. »Alain kann das Kindermädchen spielen.«
    Matthew klappte den Mund auf, um ihm zu antworten.
    »Vater?«, mischte ich mich zuckersüß in das Gespräch. »Dürfte ich kurz unter vier Augen mit meinem Gemahl sprechen, bevor er Euch im Stall erwartet?«
    Philippes Augen wurden schmal. Er erhob sich und verbeugte sich gemessen vor mir. Es war das erste Mal, dass sich der Vampir mit halbwegs normaler Geschwindigkeit bewegte. »Natürlich, Madame. Ich werde Alain holen lassen, damit er sich um Euch kümmert. Genießt Euer ungestörtes Zusammensein – solange es Euch gewährt ist.«
    Den Blick starr auf mich gerichtet, wartete Matthew ab, bis sein Vater den Raum verlassen hatte.
    »Was hast du vor, Diana?«, fragte er leise.
    »Warum ist Ysabeau in Trier?«, wollte ich wissen.
    »Was tut das zur Sache?«, versuchte er der Frage auszuweichen.
    Ich fluchte wie ein Droschkenkutscher und wischte damit die Unschuldsmiene von seinem Gesicht. Während ich in der vergangenen Nacht allein in Louisas nach Rosen duftendem Gemach gelegen hatte, hatte ich viel Zeit zum Nachdenken gehabt, jedenfalls genug Zeit, um die Ereignisse der vergangenen Wochen mit dem abzugleichen, was ich über diese Epoche wusste.
    »Es tut insofern etwas zur Sache, als es in Trier im Jahr 1590 nicht viel zu tun gibt, außer Hexen zu jagen!« Ein Diener eilte durch den Raum zur Eingangstür. Immer noch saßen zwei Männer am Kamin, darum senkte ich die Stimme. »Dies ist weder die Zeit noch der Ort, um zu diskutieren, welche Rolle dein Vater in der Weltpolitik der Frühmoderne spielt, oder um zu klären, warum sich ein katholischer Kardinal von dir auf Mont Saint-Michel herumkommandieren lässt, als wäre das deine Privatinsel, oder über den tragischen Tod von Gallowglass’ Vater zu sprechen. Aber irgendwann wirst du mir all das erklären müssen. Und wir werden ganz eindeutig ein paar ungestörte Augenblicke brauchen, damit du mir die praktischen Aspekte einer Vampirpaarung erläuterst.«
    Ich wirbelte herum und wollte hoheitsvoll aus dem Raum stolzieren. Er wartete ab, bis ich so weit gekommen war, dass ich mich schon in Sicherheit wähnte, dann packte er mich am Ellbogen und drehte mich wieder herum. Es war das instinktive Verhalten eines Raubtieres. »Nein, Diana. Wir werden über unsere Ehe sprechen, bevor einer von uns diesen Raum verlässt.«
    Matthew drehte sich zu den beiden Männern hin, die noch am Kamin saßen und jetzt aufmerksam zu uns hersahen. Auf ein kurzes Kopfnicken hin flüchteten auch sie aus dem Saal.
    »Was für eine Ehe?«, wollte ich wissen. Etwas Gefährliches blitzte in seinen Augen auf und war im nächsten Moment wieder verschwunden.
    »Liebst du mich, Diana?«

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