Wo die Nacht beginnt
Teambesprechung eher holperig. Pierre weigerte sich, in meiner Anwesenheit zu sitzen, und Alain wollte sich nur einen Stuhl nehmen, wenn ich mich ebenfalls setzte. Allerdings machten mich die vor mir liegenden Aufgaben in Sept-Tours so nervös, dass ich keinesfalls ruhig sitzen bleiben konnte, und so begannen wir zu dritt Runden durch die Bibliothek zu drehen. Während wir im Kreis gingen, zeigte ich auf verschiedene Bücher, die in Louisas Zimmer gebracht werden sollten, zählte auf, was wir alles brauchen würden, und befahl, dass meine Reisekleider zu einem Schneider gebracht werden sollten, um ihm als Vorlage für meine neuen Kleider zu dienen. Ich war bereit, Louisa de Clermonts Sachen noch zwei Tage zu tragen. Falls dann keine neuen da wären, würde ich mir aus Pierres Schrank ein Paar Beinlinge und ein Wams holen, drohte ich. Dass eine Frau zu einem derart schamlosen Akt fähig sein könnte, entsetzte die beiden sichtlich.
Während der zweiten und dritten Stunde wurde mir erklärt, wie das Château funktionierte. Ich hatte keine Erfahrung darin, einen so unüberschaubaren Haushalt zu führen, doch wenigstens wusste ich, welche Fragen ich stellen musste. Alain nannte mir die Namen und Aufgaben der Männer in den Schlüsselpositionen, zählte kurz auf, wer die wichtigsten Menschen im Dorf waren, erläuterte mir, wer sich gegenwärtig warum im Schloss aufhielt, und spekulierte darüber, wen wir in den nächsten Wochen zu erwarten hatten.
Dann zogen wir weiter in die Küche, wo ich erstmals auf den Koch traf. Er war ein ganz gewöhnlicher Mensch, gertenschlank und nicht größer als Pierre. Genau wie Popeye trug er seine gesamten Muskeln in seinen schinkengroßen Unterarmen. Warum das so war, wurde offensichtlich, als er einen riesigen Teigklumpen auf eine bemehlte Fläche schlug und durchzukneten begann. Genau wie ich konnte der Koch nur klar denken, wenn er in Bewegung war.
Inzwischen war die Kunde von der Warmblüterin, die auf dem Schloss zu Gast war und im Trakt des Familienoberhaupts schlief, bis in die untersten Etagen durchgesickert. Genauso wie die Spekulationen darüber, in welcher Beziehung ich zu Milord stand und was ich – bei meinem Geruch und meinen Essgewohnheiten – wohl für eine Kreatur war. Sowie wir in die heiße und hektische Hölle getreten waren, in der das Essen zubereitet wurde, hatte ich die Worte sorcière und masca aufgeschnappt – die französischen und okzitanischen Begriffe für Hexe. Der Koch hatte die gesamte Küchenmannschaft versammelt, die byzantinisch unübersichtlich organisiert war. Auf diese Weise hatten alle Gelegenheit, mich persönlich in Augenschein zu nehmen. Das Küchenpersonal bestand hauptsächlich aus Vampiren und Menschen. Ein Dämon war ebenfalls darunter. Ich nahm mir insgeheim vor, darauf zu achten, dass die junge Frau namens Catrine, deren Blick mit offener Neugier auf meine Wangen drückte, gut behandelt und betreut wurde.
Ich hatte mir vorgenommen, nur im Notfall Englisch zu sprechen und mich möglichst bloß mit Matthew, seinem Vater, Alain und Pierre zu unterhalten. Infolgedessen häuften sich in der Unterhaltung die Missverständnisse. Zum Glück entwirrten Alain und Pierre behutsam die Knoten, wenn sich mein Französisch mit dem kaum verständlichen Okzitanisch des Küchenpersonals verhedderte. Früher war ich eine ganz patente Schauspielerin gewesen. Es war Zeit, diese Talente wieder aufleben zu lassen, und so versuchte ich mir den Tonfall und Schwung des hiesigen Dialekts anzueignen. Außerdem hatte ich mehrere Wörterbücher auf die Einkaufsliste gesetzt, falls in nächster Zeit jemand nach Lyon kommen sollte. Der Koch erwärmte sich allmählich für mich, nachdem ich ihm zu seinen Backkünsten gratuliert, die Sauberkeit in der Küche gelobt und ihn außerdem gebeten hatte, mir Bescheid zu sagen, falls er etwas für seine kulinarischen Zauberkünste benötigte. Besiegelt wurde unsere gute Beziehung allerdings erst, als ich mich nach Matthews Leibspeisen und -getränken erkundigte. Der Koch wurde ganz aufgeregt, wedelte mit den dürren Händen in der Luft und überschüttete mich mit Erklärungen über den kümmerlichen Knochenbau Milords, den er ausschließlich auf die Engländer und ihre miserable Küche schob.
»Habe ich ihm nicht Charles nachgeschickt, damit er sich seiner annimmt?«, wollte der Koch in hastigem Okzitanisch wissen, hob dabei den Teig hoch und knallte ihn dann auf das Holz. Pierre übersetzte seine Frage, so schnell er
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