Wo die Nacht beginnt
mehr deine Angelegenheit, Philippe«, erklärte Matthew und baute sich dabei zwischen mir und seinem Vater auf.
»Ach, Matthaios , das haben wir doch längst hinter uns gelassen.« Philippe klang müde. »Diana ist eine unverheiratete, vaterlose Frau, und ich sehe hier keine Brüder, die für sie einstehen könnten. Natürlich ist sie meine Angelegenheit .«
»In den Augen Gottes sind wir verheiratet.«
»Und doch hast du damit gewartet, sie zu deinem Weib zu machen. Worauf wartest du eigentlich, Matthew? Auf ein Zeichen? Sie will dich. Ich erkenne das daran, wie sie dich ansieht. Den meisten Männern genügt das.« Philippes Blick durchbohrte abwechselnd seinen Sohn und mich. Wie Gift breiteten sich Angst und Zweifel in meinem Körper aus, als mir erneut vor Augen geführt wurde, wie merkwürdig zaghaft Matthew sich in diesen Dingen verhielt.
»Wir kennen uns noch nicht lange. Dennoch werde ich bis an mein Lebensende mit ihr – und nur mit ihr – verbunden sein. Sie ist meine andere Hälfte. Du weißt, was auf dem Ring steht, Philippe: a ma vie de coer entier.«
»Es bedeutet nichts, einer Frau sein ganzes Leben zu schenken, wenn man ihr nicht auch sein Herz schenkt. Du solltest dir nicht nur die erste Hälfte dieses Liebesschwures zu Herzen nehmen, sondern vor allem die zweite.«
»Mein Herz gehört ihr«, betonte Matthew.
»Nicht voll und ganz. Sonst wären alle Mitglieder der Kongregation tot, der Pakt wäre für alle Zeiten gebrochen, und du wärst nicht hier bei mir, sondern dort, wo du hingehörst«, widersprach Philippe offenherzig. »Ich weiß nicht, wie die Ehe in eurer Zukunft aussieht, aber zu unserer Zeit ist sie etwas, wofür es sich zu sterben lohnt.«
»Wir werden unsere gegenwärtigen Schwierigkeiten nicht beseitigen, indem wir Dianas Blut vergießen.« Obwohl Matthew seinen Vater seit Jahrhunderten kannte, weigerte er sich eigensinnig, das zuzugeben, was ich schon nach wenigen Minuten begriffen hatte: Niemand konnte einen Streit gegen Philippe de Clermont gewinnen.
»Zählt das Blut einer Hexe etwa nicht?« Beide Männer drehten sich überrascht zu mir um. »Du hast schon eine Hexe getötet, Matthew. Und ich habe einen Vampir getötet – einen Manjasang –, um dich nicht zu verlieren. Wenn wir heute Nacht schon Geheimnisse austauschen, dann sollte auch dein Vater die Wahrheit erfahren.« Den um sich greifenden Feindseligkeiten, die durch unsere Beziehung ausgelöst worden waren, waren bereits Gillian Chamberlain und Juliette Durand zum Opfer gefallen.
»Und du glaubst, du hättest noch Zeit, sie zu umwerben? Für einen Mann, der sich für gebildet hält, bist du wirklich atemberaubend dumm«, erklärte Philippe voller Abscheu. Matthew nahm die Beleidigung seines Vaters stoisch hin und spielte im Gegenzug seinen Trumpf aus.
»Ysabeau hat Diana als ihre Tochter angenommen«, sagte er.
Aber so leicht ließ Philippe sich nicht umstimmen.
»Weder dein Gott noch deine Mutter haben dir je vor Augen führen können, welche Konsequenzen deine Taten haben. Offenbar hat sich daran nichts geändert.« Philippe stützte die Hände auf den Tisch und rief nach Alain. »Da ihr euch nicht verpaart habt, wurde kein Schaden angerichtet, der nicht wiedergutzumachen ist. Die Sache kann noch zurechtgebogen werden, bevor jemand davon erfährt und die Familie daran zerbricht. Ich werde jemanden nach Lyon aussenden, um eine Hexe zu suchen, die Diana helfen kann, ihre Kräfte zu beherrschen. Dann werdet ihr beide heimkehren, wo ihr diesen Fehltritt vergessen und jeder für sich sein Leben weiterführen werdet.«
»Diana und ich werden jetzt in mein Zimmer gehen. Gemeinsam. Sonst helfe mir …«
»Bevor du deine Drohung aussprichst, solltest du sicher sein, dass du sie wahrmachen kannst«, erwiderte Philippe leidenschaftslos. »Das Mädchen schläft allein und in meinem Trakt.«
Ein Windzug verriet mir, dass eine Tür aufgegangen war. Der Duft von Wachs und geriebenem Pfeffer wehte herein. Alains kalter Blick huschte durch den Raum, erfasste Matthews Zorn und Philippes unnachgiebige Miene.
»Du hast dich in die Enge treiben lassen, Matthaios «, sagte Philippe zu seinem Sohn. »Ich weiß nicht, was dir widerfahren ist, aber es hat dich weich werden lassen. Nun komm. Räume das Feld, küsse deine Hexe, und wünsche ihr eine gute Nacht. Alain, du bringst diese Frau in Louisas Zimmer. Sie ist gerade in Wien – oder Venedig. Das Mädchen reist so viel herum, dass ich mir nicht mehr merken kann, wo es gerade
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