Wo die Nelkenbaeume bluehen
stehen.
Als sie eine halbe Stunde später, in einen flauschigen Bademantel gehüllt, wieder ins Zimmer trat, fühlte sie sich um einiges frischer und ausgeruhter als zuvor. Der Kater war immer noch da. Er saß auf Fensterbrett und ließ sich die Sonne auf den Pelz scheinen. Lena trat zu ihm und sah eine Weile zu, wie die Stadt unter ihr langsam zum Leben erwachte.
Es hatte geregnet, und ein unwirkliches Leuchten lag über allem. Der Staub war weggewaschen worden und gab den Blick frei auf das, was darunter lag: eine leicht heruntergekommene orientalische Schönheit, die ihr Alter unter bröckelndem Putz zu verstecken suchte. Sie hat schon viel erlebt und gesehen im Laufe der Jahrhunderte: Perser, Portugiesen, Araber. Großen Prunk auf der einen, das Grauen und die Unmenschlichkeit der Sklaverei auf der anderen Seite.
Von der Regenrinne fiel ein einzelner, funkelnder Wassertropfen herab und landete auf dem Kopf des Katers, der sich schüttelte und mit einem angewiderten Miauen vom Fensterbrett zurück ins Zimmer sprang.
Genau wie er schüttelte nun auch Lena die unschönen Erinnerungen an den vergangenen Abend ab und beschloss, noch einmal ganz von vorn anzufangen. Doch dieses Mal würde sie nicht so blind und planlos vorgehen.
Während ihr neuer Mitbewohner es sich wieder auf dem Bett gemütlich machte, schlüpfte Lena in ein schlichtes, graublaues Baumwollkleid und ging zur Tür. Sie hielt den Knauf schon umfasst, als sie zögerte und schließlich doch noch einmal umkehrte. Nachdem sie eine Kaffeetasse mit leicht gesprungenem Rand zum Trinknapf umfunktioniert und mit frischem Wasser gefüllt hatte, tätschelte sie dem Kater den Kopf. „Wenn du nichts dagegen hast, werde ich dich Krümel nennen.“
Mit einem Lächeln auf den Lippen verließ sie das Zimmer.
„Sie sind also auf der Suche nach Verwandten Ihres Verlobten? Hm …“ Nachdenklich kaute der junge Mann hinter der Rezeption auf seiner Unterlippe. „Bennett sagten Sie? Der Name kommt mir entfernt bekannt vor, aber ich komme nicht darauf, woher. Nun, wie auch immer. Am besten wird es sein, wenn Sie es zuerst bei den hiesigen Behörden versuchen.“ Er seufzte. „Allzu viel Hoffnung sollten Sie sich aber nicht machen. Da es auf Sansibar keine gesetzliche Meldepflicht gibt, wäre es schon ein großer Zufall, wenn sich ausgerechnet die Familie Ihres Verlobten hätte registrieren lassen …“
Lena atmete tief durch und zwang sich zu einem Lächeln. „Ich habe nicht damit gerechnet, dass es leicht wird.“
„Wie sieht es mit Ihren Sprachkenntnissen aus? Ich nehme nicht an, dass Sie Kiswahili sprechen?“
„Leider nicht.“ Seufzend schüttelte Lena den Kopf. „Kennen Sie vielleicht jemanden, der bereit wäre, mir zu helfen? Ich würde ihn selbstverständlich für seine Mühe entschädigen.“
„Das wird nicht nötig sein.“ Er winkte ab. „Ich hatte Nachtschicht und habe in einer halben Stunde Feierabend. Wenn Sie bereit sind, so lange zu warten, werde ich mit Ihnen zur Stadtverwaltung gehen und für Sie übersetzen.“
Lena war überrascht. Und erfreut über so viel Hilfsbereitschaft. „Das würden Sie für mich tun?“
„Es bedeutete für mich keinen großartigen zusätzlichen Aufwand. Meine Wohnung befindet sich in der Nähe der Stadtverwaltung, und schlafen kann ich auch in ein paar Stunden noch.“
„Das ist wirklich ausgesprochen nett von Ihnen, Mister …“
„Suleiman Nwosu“, entgegnete er lächelnd. „Sie können mich ruhig Suleiman nennen. Und ich freue mich, wenn ich helfen kann. Allerdings sieht unser Boss es gar nicht gerne, wenn wir privaten Umgang mit den Gästen pflegen. Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, dass wir uns draußen treffen? Sagen wir, in vierzig Minuten vor dem kleinen Café am Ende der Straße?“
Lena nickte. „Sehr gern. Und … wie sagt man Dankeschön auf Kiswahili?“
„ Asante “, entgegnete er. „Und darauf sage ich: Si kitu – gern geschehen.“
„Soll das heißen, sie kann mir nicht helfen?“
Suleiman übersetzte Lenas Frage für die bildschöne Einheimische hinter dem Schalter in der Stadtverwaltung. Die schüttelte bedauernd den Kopf und antwortete mit einem Redeschwall, von dem Lena nicht das Geringste verstand. Doch das war auch nicht nötig, um zu begreifen, was die Worte zu bedeuten hatten.
„Es tut ihr leid“, erklärte Suleiman nun auch erwartungsgemäß. „Sie sagt, dass Sie leider nichts für Sie tun kann.“
Im Grunde hatte Lena auch nichts anderes erwartet. Seit
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