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Wo die toten Kinder leben (German Edition)

Wo die toten Kinder leben (German Edition)

Titel: Wo die toten Kinder leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roxann Hill
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Freunden gehst, passiert dir nichts.“
    Der Blonde kam näher an mich heran und stützte sich mit beiden Armen auf die Tischplatte auf, die sich zwischen Wagner und mir befand. „Was willst du denn unternehmen, wenn ich nicht gehe?“, fragte er und seine Stimme nahm einen gefährlichen Unterton an.
    Ich lächelte in seine blauen Augen.
    Mit meiner Linken wischte ich seine Arme weg, langte nach oben, packte seinen Kopf und schlug ihn mit aller Kraft auf die Tischplatte. Es knackte. Seine Nase brach. Augenblicklich schoss Blut heraus. Er schrie wie ein verletztes Tier.
    Ich hielt seinen Kopf an den Haaren fest, schob ihn nach hinten und blickte ihn direkt an. „Du kleiner widerlicher Bettnässer! Hau ab! Sonst werde ich richtig böse! Hörst du?“
    Wagner hatte sich nicht gerührt. Stattdessen trank er von seinem Kaffee. Zu meinem Erstaunen schien er gefasst zu sein. Er zitterte nicht und machte auch keine albernen religiösen Bemerkungen.
    Ich ließ den Blonden los, der sich aufrichtete und an seine Nase langte. Das Blut quoll jetzt zwischen seinen Fingern hervor. Sein Ausdruck war hasserfüllt, aber auch stumpf. Ich wusste, er war vorsichtig und würde nicht noch einmal das Risiko eingehen, mich zu unterschätzen.
    „Also?“, fragte ich.
    „Wir gehen.“
    „Kluge Entscheidung.“
    Er drehte sich um, machte ein paar Schritte und verharrte. Ich hatte den Eindruck, als würde er mir noch etwas sagen wollen. Aber dann setzte er den Weg zu seinen Kumpanen fort.
    Seine Freunde umringten ihn. Alle sahen unschlüssig zu uns her. Scheinbar gelassen blickte ich zurück. Nach einer Weile stiegen sie in ihren Wagen. Langsam fuhren sie an uns vorbei, hupten mehrmals und waren verschwunden.
    „Danke“, sagte Wagner.
    Ich machte eine wegwerfende Handbewegung. „Die gehörten zu der Sorte, bei denen man etwas deutlicher werden muss.“
    „Sie reagieren sehr schnell.“
    Ich zuckte mit den Schultern. „Jahrelanges Training…“, nach einer Pause fuhr ich fort: „Wir haben uns jetzt ein bisschen besser kennengelernt. Und? Wollen Sie immer noch mit mir zusammenarbeiten?“ Ich hatte mich ihm zugewandt und studierte ihn angestrengt.
    Sein Blick war offen, ohne jede Unsicherheit. „Ich bin fest davon überzeugt, dass Sie die richtige Person für diesen Fall sind.“

5
     
    W agner war tagsüber beschäftigt und mir tat der Abstand gut, um alle Erkenntnisse, die wir bisher gewonnen hatten, einzuordnen und eine Strategie zu überlegen. Dennoch merkte ich, dass ich ihn irgendwie zu vermissen schien und ich gestand mir ein, dass er für mich eine mehr als willkommene Abwechslung in meinem derzeit tristen Dasein darstellte.
    Wir wollten uns gegen Abend direkt bei dem Studentenwohnheim treffen, in dem Bernhard, unser jüngstes Suizidopfer, gelebt hatte. Prälat Ott hatte zugesagt, den Schlüssel von Bernhards Mutter für uns zu beschaffen.
    Wagner versprach sich viel von der Sichtung des Appartements. Er war fest davon überzeugt, dass wir einen Hinweis auf ein Motiv finden würden, welches den Toten dazu getrieben hatte, unter Schmerzen aus dem Leben zu scheiden.
    Ich fuhr über die Autobahn und hatte mit einem längeren Stau zu kämpfen. Der Feierabendverkehr war heftig. Jeder versuchte, möglichst schnell heimzukommen. Die Sonne war schon längst hinter den Wolken verschwunden und alles war in ein graues mehliges Licht getaucht.
    Schließlich lenkte ich am Kanal entlang. Auf dessen schmutzigem Wasser glitt ein Kohlenschiff geräuschlos neben mir her. Bald hatte ich es überholt. Ich durchquerte die Stadt. Nach einigen weiteren Minuten hatte ich das Wohnheim endlich erreicht.
    Der schmucklose Betonbau stammte aus den frühen siebziger Jahren und war direkt an den Waldrand gebaut. Dürre Kiefern streckten ihre nackten Stämme zum Himmel, dazwischen wucherte Unterholz – im Sommer mochte es grün sein, jetzt schien es ausgebleicht und ohne Leben.
    Noch herrschte semesterfreie Zeit und meine Schritte hallten weit durch die verlassene Lobby. Ich schien mich vollkommen alleine im Gebäude aufzuhalten.
    Ich vermied den Aufzug. Stattdessen nahm ich die Treppe bis in den dritten Stock, um zu Bernhards Wohnung zu gelangen, vor der sich Wagner mit mir verabredet hatte.
    Obwohl ich mich verspätet hatte, war von Wagner noch keine Spur zu sehen. Ich lehnte mich an die Wand und wartete. Warten hatte ich gelernt. Darin war ich richtig gut.
    Ich bereute es, das Rauchen vor einem halben Jahr aufgegeben zu haben. - Ich hatte mir damals so

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