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Wo die toten Kinder leben (German Edition)

Wo die toten Kinder leben (German Edition)

Titel: Wo die toten Kinder leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roxann Hill
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eine Kamera, die an einer langen Schnur an seinem Hals hing und dunkle Jeans. In seiner Rechten hielt er eine Art Schlagstock, von seiner Linken baumelte ein Seil. Ich zweifelte keinen Augenblick daran, was er damit vorgehabt hatte. Er hatte auch mich erdrosseln wollen.
    Er griff mich erneut an. Ich drehte mich seitwärts, kam auf die Beine, schlug in seine Richtung. Diesmal ging mein Angriff ins Leere, er war mir ausgewichen.
    Wagner keuchte laut, er hatte große Schwierigkeiten beim Luftholen.
    Der Angreifer drehte sich unvermittelt ab und rannte zur Tür hinaus.
    Ich wandte mich Wagner zu, um ihm zu helfen.
    „Nicht! Lassen. Sie. Mich!“, krächzte er. „Hinterher! Mir. Fehlt. Nichts!“
    Ich stürzte aus dem Appartement. Der linoleumbelegte Gang vor mir war leer. Ich hastete zum Treppenhaus und blickte durch die Flurfenster in Richtung Wald. Ein Mann mit schwarzer Kapuze verschwand gerade zwischen den Büschen. Ich hetzte die Treppe hinunter und begann, ebenfalls zu rennen.
    Ich hatte vergessen, richtig zu atmen, meine Lunge stach und jeder Schritt tat mir weh. Ich zwang mich, regelmäßig und tief Luft zu holen, während ich mich weiter vorwärts trieb. Nach einer Weile normalisierte sich mein Herzschlag.
    Vor mir, auf einem Waldweg, sah ich den Mann mit dem schwarzen Kapuzenshirt. Ich war fest entschlossen, ihn einzuholen.

6
     
    S obald ich in den Wald kam, nahm die Dunkelheit zu. Der weiße Kiesweg vor mir leuchtete verhalten zwischen den Kiefernstämmen.
    Der Mann, den ich verfolgte, legte ein konstant hohes Tempo vor. Ich zwang mich dazu, seine Geschwindigkeit zu halten. Der Weg schlängelte sich steil bergab. Bei jeder Kurve verlor ich den Mann kurzzeitig aus den Augen und beeilte mich, die Distanz zu verringern, um ihn wieder sehen zu können.
    Schweiß rann mir über das Gesicht. Meine Lunge begann zu pfeifen. Ich joggte zwar jeden Morgen, aber nicht in dieser Geschwindigkeit, und meine alte Form hatte ich noch längst nicht wieder.
    Die Dämmerung wich allmählich der Nacht. Dennoch konnte ich den Mann deutlich erkennen, weil ich ihm weiterhin dicht auf den Fersen blieb. So schlecht war meine Kondition doch nicht, wie ich zunächst befürchtet hatte, stellte ich mit grimmiger Genugtuung fest.
    … Und dann wurde mir plötzlich klar, dass ich mich irrte.
    Der Mann, den ich verfolgte, achtete ganz bewusst darauf, dass ich ihn nicht verlor. Er lockte mich tief in den Wald hinein, weit weg von anderen Menschen. Hier war ich allein. Er hatte keine Angst, er floh nicht vor mir, er führte mich in eine Falle.
    Ich blieb stehen.
    Wie auf ein geheimes Kommando, verlangsamte auch der Mann seine Schritte, verharrte und drehte sich um. Ich konnte sein Gesicht nicht erkennen. Ich sah nur, dass er jetzt breitbeinig auf dem Weg stand. Dann leuchtete eine kleine Flamme auf und ein glühender Funke erschien in der Dunkelheit. Er hatte sich eine Zigarette angesteckt.
    Ich blickte mich um, sah Bäume und Unterholz. Ohne zu zögern, wich ich nach links aus, schlug mich in die Vegetation und spähte dorthin zurück, wo ich gerade gewesen war. Ich sah den leuchtenden Punkt auf mich zukommen. Wieder flammte das Feuerzeug auf und eine weitere Zigarettenglut entstand. Der Mann, den ich verfolgt hatte, war hier verabredet gewesen. Ein Zweiter hatte sich zu ihm gesellt.
    Die Punkte entfernten sich voneinander und plötzlich verschwanden sie. Ich wusste, was das bedeutete. Sie hatten ihre Zigaretten weggeworfen und machten sich an die Arbeit. Sie suchten mich. Ich hatte keinen Zweifel daran, was sie vorhatten. Sie wollten mich töten. Hier, wo mir niemand helfen konnte.
    Ich schlich mich weiter ins Dickicht. Meine Füße stießen an einen Haufen mit alten dürren Ästen. Vorsichtig, bemüht, möglichst wenig Geräusche zu machen, kroch ich darunter, zog die Zweige über mich, wobei ich darauf achtete, dass ich noch herauslugen konnte.
    Lange Zeit hörte ich nur meinen Atem. Dann vernahm ich das Knacken von dürrem Holz, das Rascheln von Laub und ich machte nicht weit von mir entfernt einen schemenhaften Umriss aus. Es war einer der Männer. Wenn ich genau hinsah, konnte ich in seiner Hand einen länglichen Gegenstand erkennen, mit dem er am Boden herumstocherte.
    Jetzt begann er, damit gegen die Bäume zu schlagen. Es klang dumpf, hart und zunehmend wütend. Hier traf nicht Holz auf Holz. Vielmehr war der Gegenstand in der Hand des Mannes eindeutig aus Metall - höchstwahrscheinlich handelte es sich um eine Brechstange.
    Für

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