Wo die Toten ruhen - Psychothriller
über die Rosen amüsiert, die du ihr geschickt hast«, meinte Jacki.
Doch ihre Mutter hatte, nachdem ihr Mann sie verlassen hatte, und dann auch wieder, als ihr Bruder Tom starb, viele Monate lang nur wie betäubt auf der Couch gesessen und in dem düsteren, überheizten Raum den vertrauten Geruch dessen ausgeschwitzt, was Kat insgeheim bei sich »Eau de Verlassensein« nannte, den Geruch der einsamen Frauen Südkaliforniens.
Weder Weichspüler noch Deodorant konnten den Gestank der Einsamkeit vertreiben.
Ich sollte mal in meinen eigenen Achselhöhlen schnuppern, dachte Kat verdrießlich und probierte das heiße Milchgetränk, das der Kellner ihr soeben serviert hatte.
Als Immobilienmaklerin war Jacki stets mit perfekter Frisur und vollkommenem Styling aufgetreten. Heute hatte sie ihr Haar mit einer Spange zusammengebunden, die dunklen Wurzeln waren glänzend und sauber, aber unbehandelt. Ihre Haut wirkte in letzter Zeit sehr rosa, was zweifellos der Schwangerschaft zuzuschreiben war, doch die Farbe konnte die Millionen Sommersprossen nicht kaschieren, die sie normalerweise mit Grundierung überdeckte. Kat sagte: »Du siehst allmählich aus wie Ma, als wir klein waren. Jede Sekunde denke ich, du sagst gleich: ›Bohr noch einmal in der Nase, und ich rufe die Polizei.‹«
Jacki schlug nach ihr.
»Du hast gesagt, du wolltest mit mir über etwas reden?«, fragte Kat.
Doch Jacki, die, seit sie nicht mehr arbeiten ging, völlig entspannt war und unter dem Zauber eines modifizierten Drüsensystems stand, vollgepumpt mit mütterlichen Hormonen, schien keine Eile zu haben, das zu besprechen, was ihr auf der Seele lag. »Ich habe mir einen Salat bestellt. Nichts Schweres. Ich fresse Grünzeug wie das riesige Nilpferd, das aus mir geworden ist, und mache mit Mahlzeit Nummer sechs für heute weiter, wenn Raoul nach Hause kommt. Hast du heute Abend etwas vor?«
»Nein, eigentlich nicht.« Außer, man konnte »sich von jemandem flachlegen lassen«, den Kat noch nicht kennen gelernt hatte, als »etwas vorhaben« bezeichnen. Sein Name war Nikola, und er hatte ein vielversprechendes Augenzwinkern, wenigstens
auf dem winzigen Schnappschuss, den er bei Match.com ins Netz gestellt hatte. Sie waren in einem Bistro in Hermosa zum Abendessen verabredet.
»Womit amüsierst du dich zurzeit?«, fragte Jacki.
»Ich arbeite sechzehn Stunden am Tag, wie du sehr wohl weißt. Heute habe ich mir sechs Häuser angeschaut, auf der verzweifelten Suche nach Vergleichsobjekten für eine Hütte aus den dreißiger Jahren am Strand von Zuma, die nur ein Badezimmer hat.«
»Klingt lustig«, sagte Jacki. Auch sie hatte immer viel gearbeitet, doch irgendwie hatte sie trotzdem die Zeit gefunden, mit ihrem Mann auszugehen, elegante Abendessen zu kochen, brillante Freunde einzuladen, sich sämtliche aktuellen Kinofilme anzuschauen, Konzerte zu besuchen und, wie es schien, immer dort, wo sie war, für gutes Wetter zu sorgen. Jetzt würde sie mit sechsunddreißig ein Baby bekommen, genau wie sie es immer geplant hatte. »Und welchen Wert hast du dafür angesetzt?«
»Eins Komma drei Millionen. Ein Abrissobjekt. «
»Wer verkauft es?« Sie unterhielten sich ein paar Minuten über ihr Lieblingsthema Wohnimmobilien. Kate arbeitete als Immobiliensachverständige, sie begutachtete Unbeschreibliches. Jacki war Immobilienmaklerin. Immobilien lagen ihnen im Blut, und da der Markt boomte, verdienten sie noch dazu auch beide genug Geld, um zu leben, ein wenig auf die Seite zu legen und auf den »Big Lebowski« zu hoffen, den Megadeal, den sie eines Tages abwickeln würden und mit dem sie für immer ausgesorgt hätten.
Jacki dachte offenbar intensiv über etwas nach, das sah Kat daran, wie konzentriert sie den Eiswürfel in ihren Kaffee versenkte und herumrührte. Schließlich zog sie eine Augenbraue hoch und sagte eine Spur zu auffällig nebenbei: »Was ist eigentlich
aus dem Internet-Typ geworden, mit dem du ausgegangen bist?«
»Das hat nicht funktioniert.«
»Ehrlich? Du hast doch gesagt, der Sex mit ihm sei super und er habe das Potenzial, dass es mit ihm was werden könnte.«
»Niemals.«
»Du hast es zumindest angedeutet. Du erinnerst dich wohl nicht mal mehr, von wem ich rede, stimmt’s? Mit wie vielen Männern gehst du eigentlich so pro Monat aus?«
»Jetzt entscheide dich aber mal! Zuerst unterstellst du mir, ich sei ein Arbeitstier. Und jetzt bist du sauer, dass ich einfach nur Spaß haben will.«
»Okay, Zeit zum Einmischen.«
»Nicht
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