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Wo fehlt's Doktor?

Wo fehlt's Doktor?

Titel: Wo fehlt's Doktor? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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erinnere, eine Schlußbemerkung zur Sir Lancelots Krankengeschichte hinzufügen. Ich glaube, ich habe ihn geheilt - hoffentlich nicht mit zu gutem Erfolg. Er könnte eine solche Liebe zu Katzen entwickeln, daß er im Bezirk umherwandert und die Tiere stiehlt. Das könnte drüben im Spital ziemliche Verwirrung auslösen.« Dr. Bonaccord blieb an der Schlafzimmertür stehen. »Dieser Traum von ihm... Nägel in Ebenholz hauen... Pfui Teufel!«
     

16
     
    »Sonderbar!« sagte der Dean halblaut, »ausgesprochen sonderbar.«
    Er blickte an diesem Abend kurz vor halb acht gebannt durch das straßenseitige Fenster im Erdgeschoß des Hauses Nummer 2. Die Tür zum kleinen hofseitigen Speisezimmer stand offen, und er konnte seine Frau hören, die den Tisch für das Nachtessen deckte.
    »Was ist sonderbar?« rief sie.
    »Schon wieder eine. Gerade ist sie um die Ecke gegangen.«
    »Was denn für eine, Liebster?«
    »Eine Schwangere. Bis heute morgen ist mir anscheinend jahrelang keine werdende Mutter untergekommen - nun wimmelt es von ihnen. Ich könnte schwören, ich bin heute nachmittag, auf dem Weg in die Buchhandlung, mit mindestens einem halben Dutzend zusammengestoßen. Und erst St. Swithin! Das ganze Spital scheint ein einziger Kreißsaal zu sein. Es ging mir - ich erinnere mich - genauso, als du George und, früher noch, als du Muriel erwartet hast. Vielleicht sollte ich mich doch mit Bonaccord darüber unterhalten...«
    »Es ist wohl ähnlich, wie man beim Schnellfahren erwischt wird. Plötzlich glaubt man, daß einen überall Polizisten anstarren.«
    »Das ist es. Als mein altes Tantchen vorigen Winter das Zeitliche segnete, gab es anscheinend in jeder Londoner Straße ein durch Leichenzüge verursachtes Verkehrschaos.«
    Die Augen des Dean hinter der mächtigen Brille wurden
    groß. Ein leises befriedigtes Lächeln spielte um seine Lippen. An der Ecke stieg Frankie aus einem Taxi.
    Unbemerkt verfolgte der Dean, wie die Parlamentsabgeordnete unter seinem Fenster vorbeitrippelte, die Treppe zum Haus Nummer 3 hochging und klingelte. Er hatte sie gestern abend angerufen und sie um Gnade angefleht. Die Berufung nach Hampton Wick, plädierte er, sei weniger eine Tragödie als eine schlechte Farce für einen Menschen mit seiner Empfindsamkeit, seiner humanitären Einstellung, seiner Gewissenhaftigkeit, Ausgeglichenheit und Unbeeinflußbarkeit, seinem Gerechtigkeitssinn, seiner Großzügigkeit und Herzensbildung, seinem Verantwortungsbewußtsein und seiner Anfälligkeit für Rheuma. Er würde schneller zusammenbrechen als die anderen, viel früher noch als der zähe Australier. Hampton Wick würde darunter leiden und - was natürlich weit weniger ins Gewicht fiele - er säße auf den Trümmern seiner Karriere.
    Was Frankie benötige, deutete er an, sei ein starker Mann. Ein akademischer Cromwell - oder vielleicht gar ein akademischer Hitler. Einer mit genügend körperlicher, geistiger und auch stimmlicher Durchschlagskraft. Jemand, der es von Kind auf gewohnt sei, zu dominieren, seinen Willen durchzusetzen und die Opposition so in den Griff zu bekommen, daß ihr auf Wochen der Atem ausblieb. Jemand, der es weder mit gepflegten Manieren noch mit gepflegter Sprache hielt und dem es leichtfiel, auf das infantile Niveau studentischen Ulks hinunterzusteigen. Kurzum, Sir Lancelot.
    Frankie hatte Einwände erhoben. Die offizielle Verlautbarung sei bereits unterwegs und zur Veröffentlichung nach dem Wochenende freigegeben. Aber der Dean war ein solches Häufchen Elend, daß sie sich zu guter Letzt bereit fand, Sir Lancelot aufzusuchen und ihm den Vorschlag zu unterbreiten. »Ich werde mich bemühen, es ihm schmackhaft zu machen«, versprach sie. »Sollte es mir allerdings nicht gelingen, ihn herumzukriegen, so erwarte ich, daß du zu deinem Wort stehst. Es wäre dir doch sicher nicht angenehm, wenn es sich in ganz London herumspricht, daß du wortbrüchig geworden bist.« Der Dean stimmte begeistert zu; wenn Frankie jemandem etwas einreden wollte, so war es ihr bisher noch immer gelungen.
    Der Dean sah sie ins Haus verschwinden. »Jedenfalls ist Miß MacNish dort, um auf die beiden aufzupassen«, schmunzelte er. »Eine Anstandsdame ist bei ihnen durchaus am Platz. Für Frankie würde ich nicht die Hand ins Feuer legen, besonders jetzt, da ihr Mann fort ist, und erst recht nicht für Sir Lancelot, wenn sie ihn erst einmal in Stimmung bringt.« Er zupfte sich am rechten Ohrläppchen und sah nachdenklich drein. »Interessieren würde

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