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Wo fehlt's Doktor?

Wo fehlt's Doktor?

Titel: Wo fehlt's Doktor?
Autoren: Richard Gordon
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aufgefressen worden.«
    »Nein, so etwas.«
    »Sie gehörten meiner Haushälterin. Meiner früheren Haushälterin.«
    »Was für ein Unglück!«
    »Das ärgste seiner Art, könnte man sagen, seit das Stubenmädchen von John Stuart Mills das Kaminfeuer mit dem Manuskript von Carlisles Französischer Revolution entfachte. Aber man muß eben über den Dingen stehen. Gehen wir’s an. Ich habe das Ambulatorium ersucht, mir eine Drüsenfasergeschwulst auf der Brust zu schicken. So etwas zu erkennen sollte selbst die Kandidaten der >Aderlasser< nicht überfordern.«
    »Ich prüfe immer recht gern für die Aderlasser«, sagte der andere Chirurg gut aufgelegt. »Viel gemütlicher als die schrecklichen Schlachten, die Studenten und Professoren einander wegen akademischer Titel liefern.«
    »Die Aderlasser sind gewissermaßen ein nützliches Sicherheitsnetz für jene, die ein wenig zaghaft nach dem Trapez greifen, das schwindelerregend durch die höheren Regionen der Medizin schwingt«, bemerkte Sir Lancelot philosophisch. »Obwohl es jetzt auch nicht mehr halb so gemütlich zugeht wie damals, als die Prüfungen im großen Saal der Gesellschaft der Aderlasser abgehalten wurden und man als Erfrischung für die ermatteten Kandidaten Freibier ausschenkte.«
    »Meiner Meinung nach werden sie immer ausgezeichnete Ärzte, wenn sie endlich durchkommen. Schließlich hat die >Ehrwürdige Gesellschaft das Recht, ihre Kandidaten zur Prüfung antreten zu lassen, nur dadurch erreicht, daß sie unsere Monarchie seit Jahrhunderten zur Ader läßt.«
    »Ja. Und obendrein unserem Adel das ganze Blut abgezapft hat.« Sir Lancelot griff nach der windschiefen Zinnschale. »Seltsam, daß diese Aderlaßschalen auf einmal in den Antiquitätengeschäften auftauchen. Man findet sie gelegentlich, mit Veilchen gefüllt, in gepflegten Haushalten.«
    Die Stationsschwester steckte den Kopf durch die Trennwand. »Hier ist eine junge Dame, die zu Ihnen möchte, Sir Lancelot.«
    »Das wird die Drüsenfasergeschwulst sein. Stecken Sie sie hinter einen Paravent, Schwester, und sagen Sie ihr, sie soll sich freimachen. Ich möchte mir ihre Brüste ansehen.«
    »Geht in Ordnung, Sir Lancelot.«
    »... und schicken Sie mir den ersten Kandidaten herein.«
    Ein großer, blonder Mann in mittleren Jahren, mit rosigem Gesicht, buschigem Schnurrbart und munterer Miene nahm auf dem Stuhl gegenüber den Prüfern Platz.
    »Aha, Mr. Pottle. Freut mich sehr, Sie wiederzusehen. Das ist ja das Angenehme an diesen Prüfungen, daß wir und die Studenten einander im Laufe der Jahre so gut kennenlernen. Sie treten zum zehntenmal an, nicht wahr?«
    »Zum zwölftenmal, Sir Lancelot.«
    »Nun gut, Mr. Pottle. Sie werden mitten in der Nacht aufgeweckt. Draußen ist die Polizei und bringt Sie im Streifenwagen in eine luxuriöse Wohnung in Mayfair. Dort sehen Sie ein bezauberndes Modell stocksteif ohne Anzeichen von Leben auf dem Teppich liegen. Ihre Diagnose lautet auf Barbituratvergiftung. Was verabreichen Sie?«
    »Heißen Kaffee und Wolldecken, Sir.«
    »Sie ist bewußtlos, Sie Idiot!«
    »Heißen Kaffee und Wolldecken durch den Mastdarm, Sir.«
    Sir Lancelot hielt sich die Hand vor die Augen. »Nun gut. Was sind die Anzeichen einer Phosphorvergiftung?«
    »Ich sage: >Leuchtender Stuhl< und Sie sagen: >leuchtende Augen trotz finsterer Aussichten, mein Junge.< Wir alle wissen, daß dieser alte Witz Sie in Stimmung bringt, Sir. Doch, mit Verlaub, mir geht er langsam, aber sicher auf die Nerven.«
    Sir Lancelot brummte. »Sie haben wahrscheinlich recht. Kommen Sie, sehen Sie sich diese Patientin hier einmal an... Was ist denn los, Schwester?« fügte er irritiert hinzu.
    »Sie weigert sich, ihren Büstenhalter abzulegen.«
    »Manche Leute sind heutzutage wirklich unmöglich. Pochen immer wieder auf ihre Menschenwürde. Wie kann sie erwarten, daß ich ihr helfe, wenn sie den Hund nicht an der Beute schnuppern läßt? Sagen Sie ihr, daß ich mehr Brustwarzen in der Hand gehabt habe als sie warme Abendessen im Magen.«
    »Gut, Sir Lancelot.«
    Hinter einer anderen Trennwand lag Mr. Winterflood, der Techniker aus dem Pathologie-Laboratorium, in seinem Pyjama auf der Untersuchungscouch.
    »Guten Morgen, Sir Lancelot«, sprudelte er los, »freut mich ausnehmend, wieder ein wenig nützlich sein zu dürfen. Durch Zurschaustellung meiner Waren, wie Sie wahrscheinlich sagen würden.«
    »Morgen, Winterflood. Lassen Sie mich nicht wieder hören, daß Sie den Kandidaten die über Sie zu stellende
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