Wo Tiger zu Hause sind
angesichts des bärbeißigen Gouverneurs zu überspielen.
»Gar nicht übel.« Sie lächelte kühl. »Allerdings zieht der Wagen leider nach links, und es gibt da so ein komisches Sirren, wenn man ein bisschen zu schnell fährt …«
Moreira bedachte sie mit einem mörderischen Blick, sie hingegen schaute ihn gespielt überrascht an, als wäre ihr ganz und gar schleierhaft, was er denn habe.
Euclides nutzte den Moment und erklärte, er wolle nach Hause. Er stehe im Morgengrauen auf, es sei für ihn sehr spät, er sei müde.
Die Amerikaner verabschiedeten sich höchst ritterlich vom Doktor und seinen Freunden, ganz anders als Moreira, der sich nicht die geringste Mühe gab, seine finstere Laune zu verhehlen.
»Verflucht nochmal, was war da bloß in dich gefahren?«, platzte Eléazard heraus, als sie beim Ford anlangten.
Mit einem Seitenblick tadelte Loredana ihn für seine Unverschämtheit, dann erklärte sie leichthin, in dem Tonfall, mit dem man anzeigt, dass eine Angelegenheit ein für alle Mal geregelt ist:
»Ich habe einen Grund gesucht, dem Arschloch eine Ohrfeige zu verpassen, ich habe ihn bekommen. Punkt, fertig.«
Und während Eléazard dastand wie festgenagelt und Bauklötze staunte, überließ sich Doktor Euclides einem stummen Lachanfall voll fröhlicher Bewunderung für die weibliche Intelligenz.
Einige Stunden später, als der letztze Gast sich verabschiedet hatte und die Angestellten in der
Fazenda
Ordnung schufen, hatte der Gouverneur sich in sein Arbeitszimmer zurückgezogen, um eine letzte Zigarre zu rauchen. Angenehm berauscht, die Augen in tiefen grauen Höhlen vor Müdigkeit, konnte er endlich in aller Ruhe das Modell bewundern, das man ihm am Nachmittag geliefert hatte. Dieses mit höchster Sorgfalt hergestellte Wunder des Modellbaus zeigte im Maßstab 1 : 1000 das große Erschließungsprojekt, an dem Moreira seit Monaten arbeitete. Verträumt wie ein Kind vor einem weihnachtlich dekorierten Schaufenster, bewunderte er die Dimensionen seines Plans, die märchenhaften Details. Inmitten der Kokospalmen erhoben sich am südlichsten Zipfel der Halbinsel achtzehn Stockwerke halbmondförmig im Angesicht des Ozeans: Süß- und Meerwasserschwimmbecken, Tenniscourts, Golfplatz, Katamarane, Hubschrauberlandeplatz – an alles war gedacht, um dies Stückchen Urwald in ein Fünf-Sterne-Resort zu verwandeln. Neben den fünf Restaurants und den Luxusboutiquen im Erdgeschoss gab es ein Spa mit Kosmetikinstitut und Fitness-Studio sowie ein ultramodernes Zentrum für Thalassotherapie. Der mit dem Entwurf betraute kalifornische Architekt hatte seine Wünsche geradezu übererfüllt, den tropischen Urwald so gestaltet, dass nur noch kleine Inseln von zivilisiertem Grün blieben, zwischen denen sich Bungalows und Sportanlagen harmonisch verteilten. Allein der Golfplatz rechtfertigte die schwindelerregende Vorauszahlung an den Architekten: Es würde international einer der schönsten Plätze und mit Sicherheit der exotischste! Natürlich kostete das Ganze astronomische Summen – fünfundzwanzig Millionen Dollar, nebenbei gesagt! –, aber auch bei der Finanzierung war die erste Hürde genommen. Kurz vor Beginn der Festlichkeiten, hier an Ort und Stelle, hatten die Banken drei Viertel der Investitionssumme zugesagt. Sobald die Kredite flossen, würde man mit den Rodungen beginnen können, vielleicht schon in zwei Wochen!
Beglückt sah Moreira eine strahlende Zukunft voraus. Die Region würde einen ungeahnten Aufschwung erfahren, viele hundert Arbeitsplätze würden entstehen, dazu noch die Nebeneffekte, all die reichen Touristen, die nichts wollten, als den Sertão mit einem Dollarregen zu begießen, üppiger als jeder Tropenschauer … Dank dieses Mannas würde man endlich die barocke Altstadt von São Luís restaurieren, Alcântara zu einem Juwel der Kolonialarchitektur machen und noch mehr Touristen in diesen verlorenen Winkel locken können. Ja, alles war möglich, allein dank seines kreativen Geistes! Gut, ein paar Reibungsverluste würde es geben wegen der Raketenabschussbasis, ein paar Umweltschützer würden herumwinseln und vor dem Palacio Estadual Sit-ins veranstalten, aber man würde sich den Tatsachen fügen müssen: Beide Projekte, seines und das der Amerikaner, waren ein Glücksfall für den Maranhão und würden ihm endlich aus seiner uralten Misere hinaushelfen.
Dass für ihn selbst dabei auch etwas abfiel, war nicht mehr als gerecht; der Zuzug von amerikanischen Technikern und
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