Wo Tiger zu Hause sind
(»Matthews Campbell junior«, echote der andere). »Nicht, dass ich den anderen hinterherwollte! Die haben alle gekniffen …«
»Ja, es sieht ganz so aus.« Euclides erwiderte das Lächeln des Amerikaners. »Wir scheinen als Letzte die Stellung zu halten.«
McDouglas ließ den Blick über die Wagen kreisen:
»Eine beeindruckende Sammlung …«
»Das hört man, ja. Doch dem Himmel sei Dank ersparen mir meine schlechten Augen, das beurteilen zu müssen. Sagen wir einfach, sie passt zu ihrem Besitzer. Seinen Jaguar hat er Ihnen sicher auch vorgeführt, was?«
»Sie scheinen ihn ja gut zu kennen!« McDouglas lachte mit all seinen blendend weißen Zähnen. »Er hat sogar erklärt, aus Rücksicht auf das gute Tier habe er keinen Wagen derselben Marke … Das wird er wohl allen Neulingen auftischen, was?«
»Nicht unbedingt«, sagte Euclides. »Jeder hat so seine Marotten; diese hier sind ja noch harmlos.«
»Habe ich recht verstanden, Sie sind Journalist?«, fragte Campbell Eléazard. »Sind Sie schon lange in der Region?«
»Seit sechs Jahren. Zwei in Recife und vier hier.«
»Gar nicht wenig! Brasilien dürfte kaum mehr Geheimnisse vor Ihnen haben.«
»Keine Geheimnisse, das wäre sicher zu viel behauptet. Aber ich liebe das Land, und ich bemühe mich, es immer besser kennenzulernen, auch die weniger strahlenden Seiten.«
»Und was halten Sie von der politischen Situation? Ich meine hier im Maranhão. Die linken Parteien scheinen einigermaßen Aufwind zu haben, oder?«
»Aufgepasst, mein lieber Eléazard!«, mischte sich Euclides humorig ein. »Die Herren kommen aus dem Pentagon: Alles, was Sie sagen, kann gegen Sie verwendet werden …«
Gespielt erschrocken trat Eléazard einen Schritt zurück:
»Aus dem Pentagon?
Meu Deus!
« Dann fragte er, immer noch lächelnd: »Aber Scherz beiseite, das ist ja hochinteressant. Was machen Sie dort – wenn man das fragen darf?«
»Nichts von dem, was Sie zu denken scheinen. Wir sind als Berichterstatter in Lateinamerika, und zwar als zivile, um genau zu sein. Wir werden hierhin und dorthin geschickt, um Dossiers zu prüfen, Garantien mit unseren Partnern abzusprechen, das Terrain zu sondieren, so in der Art … Sie wissen ja sicher, das Pentagon ist nichts anderes als ein Unternehmen, wenn auch das größte der Vereinigten Staaten, aber eben doch ein Unternehmen. Und wir sind ein paar tausend Angestellte, die sich um nichts anderes kümmern als um banale Fragen der Geschäftsführung.«
»Das klingt ja immer noch reichlich obskur«, scherzte Euclides, um zu zeigen, dass er so leichtgläubig nun doch nicht sei.
»In Wirklichkeit«, flüsterte McDouglas und rollte mit den Augen, als müsse er allen und jedem misstrauen, »sollen wir den Gouverneur des Bundesstaates Maranhão entführen! Er ist ein Usurpator und dazu ein gefährlicher Terrorist. Wir brauchen Ihre Hilfe, meine Herren!«
Die kleine Komödie machte ihn Euclides beinahe sympathisch, und er entschuldigte sich für seine Beharrlichkeit; er habe sehr wohl Verständnis für die Verschwiegenheit, die die Arbeit der beiden erfordere.
»Wieso denn Verschwiegenheit?«, rief McDouglas aus, als handele es sich um einen guten Witz. »Sie halten uns für viel wichtiger, als wir sind, glauben Sie mir …« Dann wurde er wieder ernst: »Sie wissen, dass Brasilien Mangan produziert, der Gouverneur hat es vorhin erwähnt, aber vielleicht wissen Sie nicht, dass es in bestimmten, von der US -Army eingesetzten Legierungen verwendet wird. Bislang wurde uns das Mineral unbearbeitet geliefert, aber jetzt scheint die brasilianische Regierung es lieber vor Ort aufbereiten zu wollen, was uns sehr entgegenkäme, das will ich nicht verhehlen. Um es vereinfacht darzustellen: Wir sind hier, um die Qualitätsnormen für diesen Fall auszuhandeln. Sie sehen, nichts von wegen ›topsecret‹. Alvaro Neto, der Industrieminister, Sie haben ihn vorhin sicher gesehen, hat uns hergeschleift. Eine Gelegenheit, um Unternehmer, Banker, Politiker kennenzulernen … und uns ein bisschen als Touristen umzusehen. Sie wissen ja, in Brasilia kommt man vor Langweile um!«
Er sprach wohlüberlegt, und mit seinem Bürstenschnitt und dem sonnengebräunten Gesicht verbreitete er eine kumpelhafte und ansteckend gesellige Atmosphäre, so sehr, dass Euclides’ Beharrlichkeit jedem anderen als Eléazard unangenehm aufgestoßen wäre:
»Da bin ich ja beruhigt«, meinte er gespielt locker, »ich dachte schon, Sie sind wegen dieser Militärbasis
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