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Wo Tiger zu Hause sind

Wo Tiger zu Hause sind

Titel: Wo Tiger zu Hause sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Marie Blas de Roblès
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Annäherungsmanöver erleichterte. So waren keine Kurven als Vorwand nötig, um Loredanas Schulter an seiner zu spüren … Entschlossen, keinesfalls selbst die Initiative zu übernehmen, im Genuss jeder Sekunde dieser Berührung, bebte Moreira schon voller Vorfreude auf den Körper, den er gleich besitzen würde, da war er gewiss.
    Im geeigneten Moment bog er auf einen Sandweg ab, rumpelte ein paar hundert Meter in einem niedrigen Gang, bis er vor einer Kapelle hielt. Das Licht der Scheinwerfer fiel auf ein schönes, von barocken Ornamenten überwölbtes Portal, Engelsfiguren und Totenköpfe bunt gemischt. »Dieses kleine Juwel wollte ich Ihnen unbedingt zeigen«, sagte er warm. »Ende 17 . Jahrhundert …« Das funktionierte bei den Frauen immer. Loredana schien beeindruckt, sie bewunderte die Reliefs, stellte allerlei Fragen: Befanden sie sich immer noch auf seinem Grund und Boden? Dann gehörte die Kapelle ihm? Ja, ihm, genau wie der Weiler, den sie gerade durchquert, genau wie die Brunnen, die sie gesehen hatten oder wie der Hügel im Hintergrund – genau wie die gesamte Halbinsel von Alcântara! Um ihr zu imponieren zunächst, dann weil es ihn mitriss, schilderte er ihr zu seiner Überraschung seine Pläne für das Maranhão, das geplante Resort, die Summen, die im Spiel waren … und dabei hatte er auf die natürlichste Weise der Welt, wie um sie in seine Visionen von der Zukunft einzubeziehen und enger damit zu verbinden, irgendwann der jungen Frau die Hand aufs Bein gelegt … Die Wange brannte ihm noch immer.
    Die sollte doch hingehen, wo der Pfeffer wächst, sie und der Idiot von Franzose! Und Euclides gleich mit, der ihm solche Gestalten anbrachte! Keine sonst wäre ungestraft davongekommen, aber sie hatte ihn mit derart gelassener Verachtung gemustert – wie jemand, der ohne groß darauf zu achten eine lästige Fliege erschlagen hat –, dass er nur einfach den Motor anließ und wendete.
    Er setzte seine Zigarre wieder in Brand und wunderte sich, dass nicht einmal die Erinnerung an dieses Fiasko seine Freude beeinträchtigen konnte.

15 . Kapitel
    Welches sich dem vorigen anschließt & wo Kircher dem Caspar eine pädagogische Überraschung bereitet.
    S tell dir nur vor, Caspar, wie leicht die Götzendiener ihre Irrtümer einsehen würden, wenn sie nur begriffen, dass wir dieselbe Sprache sprechen wie sie! Für uns wie für sie ist die Sonne die Quelle des universellen Lichts, sie ist das Werk des ›Höchsten‹, der Wohnsitz Gottes. Die Welt hingegen ist stets nur der Schatten des Göttlichen, sein entstelltes Abbild. ›Gib mir einen Punkt außerhalb der Erde, an dem ich stehen kann‹, so sagte Archimedes zu Hieron von Syrakus, ›& ich werde sie bewegen, & ich sage dir: Gib mir einen geeigneten Spiegel, & ich zeige dir das Antlitz Christi in seiner Vollkommenheit & Gänze!‹ Einen solchen Spiegel, der die Entstellungen ausgleicht & die Missgestalt der Formen zu Schönheit verwandelt, einen solchen Spiegel habe ich in der Hand, Caspar: Es ist die Analogie. Mach dir die Mühe, darin die Gänze aller Welten zu spiegeln, & du wirst wie ich klar & strahlend inmitten der Dunkelheit das einzig wahre Abbild Gottes schauen!«
    Athanaius verstummte und verlor sich kurz in Gedanken. Ich hätte ihm stundenlang lauschen können, umso mehr, als die Dünste des Burgunderweines ihre Wirkung zu zeigen begannen & mir schien, als begriffe ich besser denn je die Wichtigkeit seines Wirkens.
    »Nichts kommt der Erfahrung gleich«, hub er in entschlossenem Ton wieder an. »Komm,
discipulus
, ich werde dir etwas zeigen, was zu schauen nur wenige Menschen Gelegenheit haben. Allerdings nur, wenn du einwilligst, dich in gegebenem Augenblick von mir führen zu lassen, ohne dass du irgendetwas sähest …«
    Ich stimmte entzückt zu, diese romanhafte Klausel war von ganz besonderem Reiz.
    Wir verließen das Collegium & wanderten zu Fuß durch die Stadt. Die Luft war feucht, die Hitze niederdrückend, & am Himmel zeigten sich jene kupferfarbenen Wölkchen, die ein nahendes Gewitter anzeigen. Wir plauderten unterwegs; Kircher erläuterte mir unermüdlich die Denkmale des alten Rom, an welchen wir vorüberkamen.
    Als wir in die Straße von San Giovanni in Laterano einbogen, das Kolosseum im Rücken, blieb Kircher stehen.
    »So, hier nun musst du jene kleine, für mein Experiment unerlässliche Formalität über dich ergehen lassen. Ich bitte dich also, mich zu begleiten und ein paar Minuten lang die Augen

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