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Wo Tiger zu Hause sind

Wo Tiger zu Hause sind

Titel: Wo Tiger zu Hause sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Marie Blas de Roblès
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zahlreicher Flecken gewahr, die den Stern entstellten; sie tauchten auf und verschwanden wieder. Dieser Anblick erfüllte ihn mit Erstaunen, & von diesem Tage an ward die Astronomie einer der vorzüglichsten Gegenstände seiner Studien.
    Eine Morgens im Mai 1628 , als er die Gänge der Bibliothek des Collegiums durchwanderte, geriet er an das Werk des Mercati über die von Papst Sixtus V. in Rom aufgestellten Obelisken. Athanasius’ Neugier wurde augenblicks davon geweckt, & er begann, über die Bedeutung der zahlreichen in den Illustrationen dieses Buchs gezeigten Hieroglyophen zu spekulieren. Zunächst hielt er sie für in neuerer Zeit angebrachte Verzierungen, doch belehrte ihn die Lektüre des Buchs alsbald, dass diese Figuren oder Inschriften seit unvordenklicher Zeit auf den ägyptischen Obelisken zu sehen waren & noch niemand sie je hatte entziffern können. Dieses ihm von der göttlichen Vorsehung in die Hand gegebene Rätsel sollte Kircher zwanzig Jahre ununterbrochener Arbeit bescheren, bis er endlich zu einer glücklichen Lösung fand.
    Gegen Ende seines letzten Studienjahres, im Dezember 1629 , wurde Kircher nach Würzburg entsandt, wo er Mathematik, Moral & Biblische Sprachen unterrichten sollte. In diesem Collegium, wo ich kurz vordem mein Noviziat angetreten, begegnete ich ihm zum ersten Male.
    Meine Kameraden und ich erwarteten im Klassenzimmer unseren neuen Mathematiklehrer, einen gewissen Pater Kircher, von dem man uns viel Gutes gesagt hatte, doch den wir bereits mit Hohn bedachten, eben wegen seines allzu guten Rufs. Ich weiß noch, ich gehörte durchaus zu denen, die ihn verlachten und allerlei Spott über diesem »Pater Kirche« ausgossen, der mit seinen Zaubermaschinen vom Himmel kommen sollte. Doch als er erschien & ans Pult trat, stellte sich Stille ein, ohne dass er hätte ein einziges Wort sagen müssen. Pater Athanasius war siebenundzwanzig Jahre alt, & nie war ein Gesicht gewesen, das solche Harmonie zeigte, welche durch Sympathie oder magnetische Anziehung allsogleich Zuneigung bewirkte: eine breite, intelligente & edle Stirn, eine gerade Nase, wie man sie am David des Michelangelo Buonarroti sieht, ein gut geschnittener Mund mit feinen & roten Lippen, kaum von einem sich andeutenden Bart verschattet – den er sein Leben lang sehr kurz geschnitten hielt –, & unter dichten, fast horizontalen Brauen große schwarze & tiefe Augen, in denen ohne Unterlass das faszinerende Leuchten eines wissbegierigen, stets zu schlagfertigen Wortgefechten bereiten Geistes glomm.
    Er stellte sich uns in einem des Cicero würdigen Latein vor & begann mit einer Lektion, die mir wortgenau ins Gedächtnis eingeschrieben ist. Die an jenem Tage behandelte Aufgabe galt der Frage, wie viele Sandkörnchen die Erde enthalte, angenommen, sie bestünde denn aus Sand. Kircher wanderte durch unsere Reihen und teilte an jeden aus der Tasche seiner Kutte eine Prise Sand aus, wonach er uns anwies, in unseren Heften jeder einen Strich von der Länge eines zehntel Zolls zu zeichnen. Sodann gebot er uns, auf dieser Linie nebeneinander so viele Körnchen Sand anzuordnen, wie dort Platz fanden: Verwundert stellten wir fest, dass auf eine Linie stets exakt 30  Körnchen passten! Auf Grundlage dieses Experiments, das wir, so versicherte er uns, mit allen Sandkörnern wiederholen könnten, die sich auf der Welt finden ließen, begann er seine Demonstration. Wenn wir uns eine Kugel mit dem Durchmesser eben eines zehntel Zolls vorstellten, so enthielte diese 27 000 Sandkörner. Eine Kugel von einem Zoll Durchmesser enthielte 46 656 000 , eine solche von einem Fuß Durchmesser 80 621 568 000 , eine solche von einer Meile Durchmesser 272 097 792 000 000 000 000 000 Sandkörner & so weiter, mithin, wenn die ganze Erde aus Sandkörnern bestünde, enthielte sie 3 271 512 503 499 876 784 372 652 141 247 182  & 0 , 56 Körnchen Sand, denn sie misst 2290 Meilen im Durchmesser & enthält 12 023 296 769  & 0 , 3 Kugeln von einer Meile Durchmesser …
    Ohne Mühe wird man sich unserer Verblüffung angesichts solcherlei Wissenschaft & vor allem solchen Geschicks der Erklärung vorstellen können. Von jenem Tage an brachte ich Pater Kircher grenzenlose Bewunderung & Achtung entgegen, welche bis heute durch nichts haben getrübt werden können. Unermüdlich suchte ich seine Nähe & wurde der Gnade wenn nicht seiner Freundschaft, so doch seines wohlwollenden Schutzes zuteil. Ein Vorzug, der mir die Eifersucht meiner

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