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Wo Tiger zu Hause sind

Wo Tiger zu Hause sind

Titel: Wo Tiger zu Hause sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Marie Blas de Roblès
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Mitschüler & verschiedenerlei Angriffe einbrachte, von denen hier nicht die Rede sein möge, sondern die ich gern in Kauf nahm angesichts der unendlichen Ehre, die mir gewährt ward.
    So verstrichen zwei glückerfüllte Jahre. Kircher fühlte sich wohl in Würzburg & trieb unermüdlich seine eigenen Arbeiten fort, neben seinem Dienst als Professor. Dank einer Korrespondenz mit den größten Namen des Jahrhunderts & den in aller Welt verstreuten Missionaren des Ordens hielt er sich über sämtliche Neuerungen der Wissenschaften informiert. Und hier im Schutze eines zutiefst katholischen Königreiches schien uns der grauenhafte Krieg, der zwischen Reformierten und den Verteidigern der Gegenreformation wütete, weit weg zu sein, obgleich regelmäßig die schrecklichsten Nachrichten darüber zu uns gelangten.
    Alles schien in stillen Studien so fortgehen zu können, da hatte Athanasius Kircher ein merkwürdiges Erlebnis: Eines gewittrigen Nachts schrak er wegen eines seltsamen Lärms aus dem Schlaf und sah roten Lichtschein zum Fenster hereinfallen. Er sprang aus dem Bett & öffnete das Fensterchen, um nachzusehen, woher er kam. Zu seiner großen Überraschung musste er feststellen, dass der Hof des Collegiums voller Bewaffneter war, in militärischer Aufstellung! Entsetzt lief er zur benachbarten Zelle, fand seinen Mitbruder jedoch in so tiefem Schlaf, dass er ihn nicht zu wecken vermochte, & desgleichen ging es ihm mit den anderen Jesuiten, die er zu alarmieren versuchte. Voller Angst, er könnte von Halluzinationen befallen sein, kam er zu mir & zog mich an einen Ort, von wo wir den Hof einsehen konnten. Die Söldner jedoch waren verschwunden.
    Keine zwei Wochen später schloss sich Gustav Adolf, der König von Schweden, den Reformierten an. Niederlagen der katholischen Seite überstürzten sich, & nach der Schlacht von Breitenfeld & dem Sieg über Graf Tilly drang die schwedische Armee ins Frankenland ein: Wir mussten erfahren, dass die Teufel auf Würzburg marschierten! Kirchers schlimmste Ängste bewahrheiteten sich … Wir hatten nur eben noch Zeit, ein paar Habseligkeiten zusammenzuklauben & die Flucht zu ergreifen. Würzburg war ohne Garnison, ohne Vorräte, ohne Hilfe jedweder Art, und das Collegium binnen Tagesfrist verlassen. Der Feind nahte sich der Stadt, & es hieß, der Schwede kenne keinerlei Gnade zumal für Jesuiten. Das namenlose Chaos erfasste uns: Wir mussten gen Mainz fliehen, & am 14 . Oktober 1631 liefen wir davon wie die armen Sünder. Mein Lehrer war genötigt, das Manuskript seiner
Institutiones Mathematicae
zurückzulassen, Frucht langer Jahre an Studien, & dies war ihm ein Verlust, dessen er sich etliche Monate lang nicht trösten konnte.

Alcântara
    Ein intelligenter Hintern, ein
sehr
intelligenter Hintern!
    Jedes Mal, wenn Eléazard nach langen Stunden vorm Computer ganz benommen war, fuhr er den Apparat in den Ruhemodus herunter, betrachtete kurz die Hunderte von Lichtpunkten, die über die Sternennacht des Bildschirms zogen, und setzte sich dann vor den großen Wandspiegel im Wohnzimmer. Dort übte er mit den Tischtennisbällen, die er jetzt immer in den Taschen hatte, seine Fingerfertigkeit. Nichts verschaffte ihm so viel geistige Entspannung wie die immergleichen Bewegungen, mit denen er diese Bälle auftauchen oder verschwinden ließ. Er sah zu, wie sie zwischen seinen Fingern erschienen oder sich zu vermehren schienen, er korrigierte die Haltung seiner Hände, bemühte sich um immer größere Selbständigkeit und Schnelligkeit der Abläufe. Dieses Hobby pflegte er erst seit wenigen Monaten, seit er in einem Gässchen von São Luís das erstaunliche Geschick eines Gauklers bewundert hatte: Ein kleiner, hagerer und dreckiger
Matuto
, ein Landei mit zahnlosem Mund, der mit größter Ruhe eine unvorstellbare Menge langer Zimmermannsnägel in seiner Nase versenkte. Mehr als die Vorführung als solche hatte Eléazard die perfekte Körperbeherrschung des Mannes imponiert und die fast mathematische Eleganz seiner Bewegungen. Beinahe wie getrieben hatte er sämtliche Buchhandlungen der Stadt nach Einführungen in diese Kunst durchsucht und war enttäuscht, wie unergiebig sie alle waren. Die meisten dieser Bücher begnügten sich damit, ein paar Tricks zu veraten, mit denen sich allenfalls Kinder beeindrucken ließen. Er hingegen wollte Tauben aus dem Nichts herbeizaubern oder kilometerweise Seidentücher aus den Ohren eines namenlosen Zuschauers ziehen, also Nummern

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