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Wo Tiger zu Hause sind

Wo Tiger zu Hause sind

Titel: Wo Tiger zu Hause sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Marie Blas de Roblès
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Lebens- & Lernfreuden seiner Jugend. Sie sollten einander nie mehr wiedersehen.
    Während dreier Jahre vervollkommnete Kircher sich in zahllosen Fächern. Unter der Anleitung von Christoph Scheiner, dessen Ruhm nicht weiter gesungen zu werden braucht, übte er sich ohne Unterlass in Astronomie & Mathematik & glänzte bald in beidem seinem Meister gleich. Ebenso erging es ihm mit Physiologie, mit Alchimie & in manch anderm Fach, wobei er unterdessen seine Sprachenkenntnisse noch verfeinerte. Im Alter von dreiundzwanzig Jahren schlug Kircher seine Kollegen ohne weiters aus dem Felde, welche ihm einmütig unglaubliche Fähigkeiten des Gedächtnisses bescheinigten und dazu einen selten gesehenen erfinderischen Geist & handwerkliches Geschick.
    Ingolstadt stand seinerzeit unter der Rechtssprechung von Johann Schweickhart, dem Erzbischof von Mainz & Kurfürsten des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Nun geschah es, dass eine Gesandtschaft dieses hohen Herrn für Anfang März angekündigt ward. Derlei Visiten waren durchaus nicht häufig, und so empfing die Stadt die Delegation mit großem Pomp.
    Die Jesuiten & insonderheit Kircher wurden als Beiträger zu den Festlichkeiten herangezogen. Athanasius ersann mehrere Darbietungen nach seinem Geschmacke und zeigte verschiedene Neuerungen, ob deren die Gesandten des Erzbischofs sich ganz außerordentlich verwunderten. Vor der staunenden Versammlung schuf er unter freiem Himmel optische Trugbilder, indem er auf die Bäume des Parks & auf die Wolken phantastische Formen projizierte, so Chimären, Sphingen & Drachen; er zeigte magische Spiegel, in denen man sich selbst auf dem Kopf sah oder um etliche Jahre verjüngt oder gealtert, & endigte mit einem prunkvollen Feuerwerk, dessen Raketen nach dem Explodieren die Form des kaiserlichen Adlers & andrer emblematischer Tiere annahmen. Da ihn einige kleinliche oder neiderfüllte Geister der schwarzen Magie bezichtigten, musste Kircher die mesoptischen, katroptischen und parastatischen Instrumente vorführen, die ihm zu diesem Spektakulum gedient, & den Gesandten ihre Funktionsweise entdecken. Alles waren Instrumente seiner eigenen Erfindung, die er später detaillert in seinem
Mundus Subterraneus
und seiner
Ars Magna Lucis & Umbrae
beschrieb. Die Sendleute des Bischofs waren derart entzückt von diesem Schauspiel, dass das junge Genie bis zu ihrer Abreise nicht mehr von ihrer Seite weichen durfte.
    Vom Bericht seiner Delegation bezaubert, gebot Johann Schweickhart Kircher, unverzüglich vor ihm zu erscheinen.
    Athanasius begab sich also zu dem alten Manne nach Aschaffenburg, machte auf diesen den vorzüglichsten Eindruck & wurde alsbald in seinen Dienst genommen. Einen Großteil seiner Zeit widmete er nun der Erfindung & Herstellung von allerlei merkwürdigen Maschinen zur Zerstreuung des Kurfürsten in dessen Mußestunden. So schuf er eine bewegliche & sprechende Maschine, die von Leben beseelt schien, & unter andern Wundertaten erklärte er die sagenhaften Eigenschaften des Magnetsteins & legte dar, wie man mit seiner Hilfe nervöse Krankheiten heilen oder Gedanken über Entfernungen hinweg übertragen konnte. Auf Bitten Johann Schweickharts begann er übrigens seine Gedanken zum Magnetismus niederzuschreiben, welche einige Jahre darauf Kernpunkt seines ersten Werkes werden sollten, der
Ars Magnesia
.
    Auch wurde Kircher vom Erzbischof damit beauftragt, eine topographische Karte gewisser Teile des Fürstentums herzustellen. In nur dreien Monaten entledigte er sich dieses Auftrags & schickte sich an, diese Arbeit zu erweitern, als sein Schutzherr unvermutet von Gott abberufen ward.
    Zu Ende des Jahres 1625 kehrte Kircher nach Mainz zurück und begann sein theologisches Scholastikat. Diszipliniert & beharrlich studierte er die heiligen Schriften, ohne seine wissenschaftlichen Studien zu vernachlässigen. So erstand er eine der ersten jener für Blicke in die Ferne geeigneten Linsen, welche im Handel erhältlich waren, und verbrachte große Teile seiner Nächte mit Beobachtungen der Gestirne. Eines wolkenlosen Morgens schloss er sich in seiner Zelle ein, um die Sonne zu observieren. Den Anweisungen Scheiners & Galileis folgend, hielt er zu diesem Behufe die Linse an ein in den Fensterladen gebohrtes Loch & platzierte unter das konkave Glas ein Blatt weißen Pergaments, auf welchem sodann ein deutliches Bild der Sonne sichtbar wurde. Wie er das wogende Flammenmeer auf dem Papier betrachtete, wurde er

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