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Wo Tiger zu Hause sind

Wo Tiger zu Hause sind

Titel: Wo Tiger zu Hause sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Marie Blas de Roblès
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Liebe geschworen, klagte ihn jetzt – er hörte es, ohne seinen Ohren zu trauen – sämtlicher Missetaten an & verfälschte die Wahrheit schamlos; ihm war klar, jeder Versuch einer Rechtfertigung war zum Scheitern verdammt … Diese Niedertracht machte ihn sprachlos. Von plötzlicher Schwäche befallen, sank er in einen Sessel, zerschmettert vom Ausmaß seines Unglücks.
    »Es mag ja noch angehen, unsere sämtlichen Anstrengungen zunichtezumachen«, zürnte der Alchimist, »und schließlich ist es Euer eigenes Geld, das da zum Fenster hinausgeht, aber meine Frau darein verwickeln, mit ihr & gegen ihren Willen die abscheulichsten Zaubereien praktizieren! Das ist ein Fall für die Inquisition, mein Herr, und Ihr werdet sehen, die machen bei derlei Vorfällen keine Scherze. Gerechtigkeit! Gerechtigkeit! Man hole die Gendarmen!«
    Von diesem Aufruhr alarmiert und in Sorge ob des Geschicks ihres Mannes, veranstaltete Sinibaldus’ Gattin einigen Lärm vor der Tür. Dieser hob den Kopf und ertappte Blauenstein & seine teuflische Chinesin bei einem komplizenhaften Zwinkern; jäh wurde ihm klar, wie sehr er betrogen worden & dass all sein Bitten & Flehen sie nicht würde erweichen können.
    »Mein ganzes Vermögen …«, konnte er gerade noch keuchen, »alles was ich habe, wenn Ihr schweigt.«
    Diese Worte hatten durchschlagende Wirkung.
    Sinibaldus beruhigte rasch seine Frau durch die verschlossene Tür, dann trat er zu Blauenstein, um den bitteren Kelch bis zur Neige zu leeren. Unter den verächtlichen Blicken derer, die er in seiner Verblendung für die Wiedergeburt der Isis gehalten hatte, unterwarf er sich den Forderungen des Alchimisten. Eine Woche Zeit wurde ihm gegeben, um sein gesamtes Hab & Gut flüssig zu machen & die Summe den Betrügern auszuhändigen; nur so würde er sich auf ewig ihr Schweigen erkaufen. Andernfalls stünden ihm unweigerlich eine Anzeige & ein Skandal bevor & letztlich die Flammen des Scheiterhaufens.
    Am Morgen nach diesem unheilvollen Tag erschien Sinibaldus erstmals wieder im Collegium. Kircher wunderte sich schon seit einigen Wochen, dass er schier verschwunden war, und fürchtete, bei der letzten Unterredung doch etwas schroff gewesen zu sein. So empfing er ihn mit aufrichtiger Freude & unverhohlener Verwunderung, denn der Mann, der da beichten kam, war in der Zwischenzeit um fünfzehn Jahre gealtert, von Unglück & Reue gebeugt …
    »Oh weh, Pater«, sagte Sinibaldus, als sie mir, aus der Kapelle kommend, begegneten, »dies Ungeheur hat sein Netz so klug gesponnen, dass ich mir bei lebendigem Leibe das Fell über die Ohren ziehen lassen muss.«
    »Nicht doch, mein Freund, so schnell soll man nicht aufgeben. Mir dünkt, ich sehe da ein Mittel vor mir, das …«
    »Oh Pater!«, rief Sinibaldus aus und ergriff seine Hand, »wenn es sein solches Mittel gibt, so nutzt es! Ich werde Euch in allem gehorchen, & meine Dankbarkeit, seid dessen versichert …«
    »Nun wartet mit Eurer Dankbarkeit, jedenfalls im Moment, & tut, was ich Euch sagen werde. Es soll nicht heißen, dass die Kirche vor den Geschöpfen des Dämons klein beigibt. Geht nach Hause & überzeugt den verfluchten Alchimisten, hierherzukommen und die Herstellung von Gold zu demonstrieren. Spielt Eure Rolle als Betrogener weiter, beruhigt etwa aufkommenden Verdacht, indem Ihr ihn um Vergebung für den Ehebruch anfleht, schmiert ihm Honig ums Maul … Kurz, lasst ihn wissen, ich hätte Kunde von seinen außerordentlichen Künsten erhalten & wünschte eine Kostprobe davon zu sehen. Vor allem versäumt nicht, ihn meiner Leichtgläubigkeit in diesen Dingen zu versichern noch der Vorteile, deren er nach einem Erfolg bei mir teilhaftig würde. Es ist Euch gewiss bekannt, dass der Kaiser selbst sich für Alchimie interessiert & er mir die Gnade seiner Freundschaft & Wohltaten gewährt.«
    Von der Hoffnung erquickt, die mein Meister ihm eingegeben, eilte Sinibaldus, seine Anweisungen umzusetzen, welche über alle Erwartung gut funktionieren sollten … Im Rausch seines Überlegenheitsgefühls ging Blauenstein in sämtliche Fallen, die Athanasius ihm ausgelegt, & es vergingen keine zwei Tage, da wurde uns durch das Hörrohr gemeldet, er und Sinibaldus stünden an der Pforte des Collegiums.
    Kircher empfing seinen Gast mit allerlei Höflichkeitsbekundungen & geleitete ihn in das Labor. Gespielt ahnungslos tat mein Meister begeistert ob der angeblichen Erfolge, deren Blauenstein sich schamlos rühmte, wenn auch

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