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Wo Tiger zu Hause sind

Wo Tiger zu Hause sind

Titel: Wo Tiger zu Hause sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Marie Blas de Roblès
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wollen! Das ist kein Wagen mehr, das ist ein Symbol, ein Stück Lebensart …«
    »Das glaube ich Ihnen ja alles«, ein nervös tapsender Abgeordnetenschuh verriet seine Ungeduld, »aber ich bin nicht hier, um ein Symbol zu kaufen, ich suche einfach einen Wagen, der nicht alle Viertelstunde irgendwo liegenbleibt. Sie verstehen, ja?«
    Der Autohändler markierte einen brüskierten Tonfall: »Wissen Sie, wie man dieses Modell nannte,
Senhor Deputado
? Die Königin der Straße! Ich weiß nicht, ob Ihnen klar ist, was das bedeutet … Im Zweiten Weltkrieg haben die Deutschen sämtliche Exemplare des Modells beschlagnahmt; die sind weit gefahren und ohne Macken, das kann ich Ihnen versichern! Ich darf daran erinnern, dass solche Motoren bei der sogenannten gelben Kreuzfahrt eingesetzt wurden, bei der Durchquerung Afrikas!«
    »Das ist es ja,
Senhor
 … Wir war noch der Name?«
    »Duarte, Floriano Duarte …«
    »Das ist es ja,
Senhor Duarte
. Diese Motoren haben alle viel zu viele Kilometer runter. Was steht denn auf dem Tacho von Ihrem kleinen Wunder hier, nur zum Beispiel?«
    »Eine Null!«, tönte der Autohändler stolz.
    »Wie, eine Null? Wollen Sie sich über mich lustig machen?«
    »Durchaus nicht,
Senhor Deputado
, das würde ich nie wagen. Ich habe den Motor von Grund auf neu aufgebaut, aus einem Ersatzteilvorrat, alles Originale: Dieser Wagen mag ein Oldtimer sein, aber er ist neu,
brandneu
, wie eben aus der Fabrik gerollt! Wenn er Lust hat, kann ihr Sohn nach Belém fahren und zurück, ich garantiere Ihnen, er wird nicht das kleinste Problem haben. Noch ganz abgesehen vom Komfort«, sagte er, indem er den Schlag öffnete, »Samtpolsterung, neue Federung, geräumiger Kofferraum … ein Schmuckstück,
Senhor Deputado
! Setzen Sie sich, probieren Sie es selber aus!«
    Jäh wurde es Nelson klar, dass er riskierte, sich die Beine einklemmen zu lassen, wenn jemand sich in den Wagen setzte, also spannte er die Muskeln an, um im letzten Moment entwischen zu können.
    »Dazu habe ich keine Zeit«, beschied der Abgeordnete. »Reden wir lieber über die unangenehme Seite des Geschäfts: Was soll er kosten?«
    »So viel wie ein Golf,
Senhor Deputado
 … Keinen Cruzeiro mehr, als Sie ohnehin investieren wollten.«
    »So viel wie ein Golf? Die alte Mühle? Für wen halten Sie mich?«
    »Für jemanden, der seinem Sohn ein Auto schenken und zugleich ein hervorragendes Geschäft machen will: Auf diesen Citroën gebe ich Ihnen drei Jahre Garantie, inklusive Pflege und Ersatzteile, und ich verpflichte mich, einen Käufer zum selben Preis zu finden, falls Sie eines Tages beschließen sollten, ihn wieder abzugeben. Ein Neuwagen verliert jeden Tag an Wert, das wissen Sie genauso wie ich. Bei guterhaltenen alten Modellen ist das Gegenteil der Fall. Statt Ihr Geld für eine Laune wegzuwerfen, wäre das eine sichere Anlage,
Senhor Deputado
, eine ganz hervorragende Anlage … Und vergessen Sie nicht, mit dieser Garantie komme ich Ihnen weit entgegen, nicht einmal Sammler verlangen so etwas, glauben Sie mir! Gerade letzte Woche habe ich einen 1930 er Willys verkauft, ohne dass der Käufer den Wagen auch nur angesehen hat. Fürs Doppelte von diesem Citroën. Oberst José Moreira da Rocha, Sie kennen ihn gewiss …«
    »Der Gouverneur des Maranhão?«
    »Höchstselbst,
Senhor Deputado
. Und Sie werden mir beipflichten, in Geschäftsdingen ist der mit allen Wassern gewaschen …«
    Fast hätte Nelson aufgeschrien. In einem Atemzug mit dem Willys dieser Name, der verabscheuungswürdigste von allen, so verhasst, dass er unaussprechlich geworden war, das wirkte auf ihn wie ein Elektroschock. Über sein verkrampftes Gesicht sprangen die Tränen in reflexhaften, absurden, peinlichen Spritzern. Sein Hass schwoll so an, dass er die ganze Welt mit seiner Galle bedachte, bis er sich Nelson selbst wie ein Schleier über die Augen legte. Eine Sekunde lang sah er sich als Mollusk, als Kraken, in seine Höhle aus schwarzem Metall verkrochen, ein wabbeliges Tier, das mit seinen Tentakeln nach den sich darbietenden Beinen des Autohändlers griff, ihn zu sich und seinem wilden Groll zerrte und unterm Wagen zu Matsch zerbiss. Seine Beine zuckten, Schaum bildete sich in den Mundwinkeln. Als er kurz darauf wieder zu sich kam, konnte er sich nur an eines erinnern: Der Name war gefallen, es war wie ein Zeichen, dass er sich im Recht befand, eine letzte Aufforderung zur Rache.
    Beim Citroën stand jetzt niemand mehr, so dass Nelson ungehindert aus

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