Wo Tiger zu Hause sind
dass ich ein wenig auf Risiko gespielt habe. Da ich ein wenig größer bin als Blauenstein, konnte ich ihm während unserer Unterredung in aller Ruhe auf den Kopf schauen. Eine kuriose Anomalie erregte meine Aufmerksamkeit: ein Feld von sehr viel dichterem Haar, was sich durch eine jahrelang praktizierte Tonsur unschwer erklären ließe. Ich begnügte mich damit, ihm in unserem Gespräch eine einfache Fußangel zu stellen, indem ich seine Eignung für den geistlichen Dienst erwähnte. Die von ihm da an den Tag gelegte unwillkürliche Bestürzung bestätigte mich in meiner Beobachtung. Also eher kindische Methoden, wie Ihr seht … Doch genug geredet! Dieser Auftritt hat mir Appetit gemacht. Was hieltet Ihr davon, hier in der Nachbarschaft bei unserem Freunde Carlino ein wenig Geflügel den Garaus zu machen?«
Dazu waren wir nur zu gern bereit, & Sinibaldus bestand darauf, die Kosten für diese Wohltaten zu tragen.
Als Sinibaldus einige Stunden später nach Hause kam, hatten der Alchimist & seine Frau sich davongemacht. Sinibaldus bewahrte nach diesem Abenteuer ewige Dankbarkeit für meinen Meister, was freilich für Blauenstein nicht galt. Von Kircher besiegt & gedemütigt, hasste er ihn zutiefst, wie sich etliche Jahre später zeigen sollte.
Alcântara
Zum Gedenken an Jim Bowie und Davy Crockett.
»Ich bräuchte mindestens eine Kopie des Entwurfs.« Eléazard runzelte die Augenbrauen. »Sonst kann ich nichts machen. Ohne Nachweis etwas schreiben, das geht nicht, verstehst du, zumal wenn es darum geht, so schwere Vorwürfe zu erheben.«
Alfredo schüttelte den Kopf, während er wütend Vinho Verde eingoss. Er sah das ganz anders, das war deutlich.
»Und seine Frau? Könnte man die nicht einbeziehen?«
»Im Moment noch nicht«, antwortete Loredana. »Doktor Euclides sagt, sie sieht das als Privatsache. Es ist ihr Geld, und sie kann etwas unternehmen.«
»Sie hatte doch Italienisch-Unterricht bei dir nehmen wollen«, fragte Eléazard. »Hat sich das zerschlagen?«
»Absolut nicht, sie will mich die Tage mal bei dir anrufen. Dann kann ich ihr ein wenig auf den Zahn fühlen.«
»Aha …«, meinte Alfredo mürrisch. »Wenn ich es recht sehe, hätten wir hier also eine US -Raketenbasis, die heimlich auf der Halbinsel geplant wird, einen korrupten Gouverneur, der das Wissen darum nutzt, um in aller Ruhe zu spekulieren, und drei Arschlöcher, die tatenlos dasitzen und warten, dass ihnen die Sache in den Schoß fällt.«
»Jetzt sei nicht so dramatisch«, forderte Eléazard. »Ich verspreche dir, so leicht wird denen das nicht gelingen, aber es ist zu früh, um etwas zu tun. Wenn sie merken, dass wir etwas wissen, bevor wir wirksam etwas unternehmen können, blocken sie, und wir stehen dumm da.«
»Er hat recht«, sagte Loredana. »Vertrau uns.«
»
Vertrau uns.
« Alfredo äffte ihren beschwichtigenden Tonfall nach. »Ich mag euch beide wirklich gern, aber das hier ist mein Land, meine Heimat … Da vertraue ich niemandem, und ich verspreche euch …«
Er brach ab, abgelenkt durch die Ankunft der drei US -amerikanischen Gäste seines Hotels.
»Ich kann die nicht mehr ertragen!«, sprach er weiter, als ob sie unsichtbar wären, nachdem das Ehepaar samt Tochter an ihnen vorübergegangen war. »Die kommen nur aus ihrem Zimmer, um Socorró zu nerven oder in Bars herumzuhängen … Und in was für einem Zustand die dann zurückkommen, alle drei!«
Als er morgens bei Alfredo eingetroffen war, hatte Eléazard versucht, mit der alten Hausmagd zu reden, aber sie wollte kein Geld, für das sie nicht gearbeitet hatte. Jede Arbeit habe etwas Mühsames an sich, Gott habe das so gewollt, und lieber nehme sie die Demütigung des Windfächelns auf sich als die des Bettelns … Dennoch sei sie ihm dankbar, dass er sich für ihr Wohlergehen interessiere, aber bitte, er solle sich um seine eigenen Dinge kümmern.
»Der arme Alfredo«, meinte Eléazard zu Loredana, als sie wieder bei ihm zu Hause waren. »Er nimmt die ganze Sache sehr ernst.«
»Du etwa nicht?« Sie klang ein klein wenig aggressiv.
Rasch lenkte er ein: »Doch, natürlich. Aber ich habe keinen Schimmer, was wir im Moment machen könnten. Und auch später nicht, wenn du gut nachdenkst. Trotz unserer Bitten wird Alfredo die Sache an seine Freunde in der kommunistischen Partei ausplaudern, dann bringen die einen flammenden Aufruf in ihrem Blättchen à la Zolas
J’accuse
, und was dann? Moreira lacht sich ins Fäustchen und sorgt dafür, dass ihnen der
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