Wo Tiger zu Hause sind
bei jener Person entschuldigen«, wandte Blauenstein mit unbeholfener List ein, »aber es ist mir äußerst wichtig, eben diesen Löffel zu verwenden. Aus … Anhänglichkeit, möchte ich sagen. Die Transmutation ist ja nicht nur einfach ein chemischer Prozess, es ist auch ein gewisser Takt vonnöten, eine verständige Handhabung, bei der die Vertrautheit mit gewissen Gegenständen, die Zuneigung, die man für sie hegt, eine ganz entscheidende Rolle spielen kann …«
»Es reicht, mein Herr!« Langsam hob Kircher den Blick zu seinem Gegenüber.
Jene bislang von ihm zur Schau getragene naive Gutmütigkeit war spurlos verschwunden: Unvermittelt ragte er vor Blauenstein empor, ein so gestrenger Inquisitor, dass einem das Blut in den Adern gefrieren wollte.
»Derlei faule Tricks sind typisch für Marktweiber und für Gaukler Euren Schlags. Obwohl – Gauklern ist die Heuchelei fremd, die Eure wahre Natur ist. Ihr seid ein Hochstapler, ein vulgärer Beutelschneider, & wenn es Euch je gelungen ist, Gold zu schöpfen, dann einzig aus den Schatullen derer, die gutgläubiger sind, als ich es bin …«
»Wie wagt Ihr?!« Der Alchimist begehrte ein letztes Mal auf.
»Oh Ausgeburt eines Priesterseminars!« Kircher packte ihn am Kragen. »Muss ich erst jede Eurer Täuschungen einzeln entlarven? Muss ich Euch erklären, warum Ihr so an diesem Löffel hängt? Auf die Knie, entsprungener Mönch, auf die Knie! Die Schinder der Inquisition haben eine besondere Vorliebe für Kanaillen Eurer Sorte!«
Und hätte Sieur Sinibaldus noch nicht sicher gewusst, dass er das Opfer eines Hochstaplers war, was nun kam, hätte ihm endgültig die Augen geöffnet: Wehrlos gegenüber den Angriffen & Drohungen Kirchers, gab Blauenstein auf einmal klein bei & gestand sämtliche seiner bösen Phantasie entsprungene Missetaten. Wie befriedigend war es doch, diesen so von sich eingenommenen Mann zittern zu sehen & wie er in allen Tonarten meinen Meister um Verschonung anflehte.
Doch erst, als Athanasius ihn restlos vernichtet zu haben schien, tat er so, als wollte er Gnade walten lassen.
»Ich verlange keinerlei Versprechungen von Euch – wer, der bei Sinnen ist, wollte Eurem Wort noch Glauben schenken? –, sondern ich befehle Euch, diese Stadt mitsamt Eurer Hure augenblicklich zu verlassen & Euch nie wieder hier blicken zu lassen, solange Ihr lebt. Die Alchimie habt Ihr aufzugeben. Das Geld, das Ihr Euch erschlichen, erlässt Euch Sinibaldus zur Vergeltung seiner Sünden: Nutzt es, um Euch ein ehrbares Leben aufzubauen, & rettet Eure Seele, indem Ihr tätige Reue für die begangenen Sünden zeigt. Sollte ich nur einen Ton über weitere Missetaten hören, so liefere ich Euch unverzüglich der kirchlichen Gerechtigkeit aus!«
Wie man vermuten wird, ließ Blauenstein sich das nicht zweimal sagen. Er schwor alles, was man von ihm verlangte, wand sich vor Dankbarkeit und machte sich aus dem Staub, sobald es ging.
Sinibaldus konnte sein Glück kaum fassen; binnen weniger Minuten hatte Kircher ihm seine Ehre wiedergegeben. Mit dankbar funkelnden Augen, weinend vor Ergriffenheit, kniete er nieder, um Gott zu danken. Athanasius trat zu ihm hin, ermahnte ihn freundlich & erteilte ihm endlich die Absolution.
Ich meinerseits beglückwünschte meinen Meister zu der exemplarischen Art & Weise, wie er diesen Gauner entlarvt hatte, nicht ohne ihn zu einigen Punkten zu befragen, die mir noch nicht recht begreiflich schienen. Wie konnte Blauenstein behaupten, Gold herstellen zu können, doch dann ließ er im letzten Moment davon ab? Durch welch Wunder hatte Kircher davon Kunde bekommen, dass der Mann früher Mönch war? Lächelnd klärte mein Meister mich auf.
»Gold herstellen? Nichts einfacher als das – mit diesem Werkzeug hier.«
Er trat zu einem Ofen, auf dem in einem Glase Wasser kochte, tauchte den Jadelöffel hinein & rührte langsam um.
Zu unserer größten Verwunderung sahen wir, wie sich ein Regen von Goldplättchen in dem Wasser ausbreitete.
»Der Trick ist so alt wie die Welt«, erklärte Kircher, »aber er verfehlt seine Wirkung nie. Seht selbst, ein schmaler Kanal ist längs in den Löffel gebohrt. Man braucht ihn nur mit Goldpulver zu befüllen & das Austrittsloch mit ein wenig Wachs zu verschließen, das dann in der Wärme einer jeglichen Mischung schmilzt & in den Tiegel echtes Gold entlässt. Wahrscheinlich Euer eigenes Gold, werter Sinibaldus … In der Frage, ob der Mann früher selbst Mönch war, muss ich gestehen,
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