Wo Tiger zu Hause sind
stets unter der Maske von Zurückhaltung & Weisheit, die Sinibaldus so wirksam getäuscht hatte.
»Gold, ja …«, sagte der Alchimist wegwerfend, »das ist freilich ein Wort, auf das viele Hirnlose gelaufen kommen. Soll ich Euch gestehen, dass es für mich das unedelste Metall von allen ist? Ein seltsames Paradoxon, nicht wahr? Doch wer es herstellen will, muss zunächst die Vergänglichkeit aller Reichtümer dieser Welt begreifen, & im Moment selbst, wo man das Geheimnis der Transmutation begreift, erkennt man zugleich deren Nutzlosigkeit …«
»Freilich, werter Herr. Ich meine nun aber, dass Eure ungewöhnlichen Kenntnisse in der Alchimie dazu beitragen könnten, manches aufzuklären, das bezüglich des Funktionierens der Natur im Dunkeln liegt, & ich kenne eine sehr würdige Person von höchstem Rang – deren Namen zu nennen noch unpassend wäre –, welche sehr froh wäre, von Eurem Wissen zu lernen. Hierzu jedoch müsstet Ihr geruhen, einzig als Garantie für die Schritte, zu denen ich bereit wäre, und zwar
in seinem Namen
« – die drei letzten Worte sprach Kircher mit höchster Bedeutsamkeit, damit der Alchimist den offiziellen Charakter seines Mandats erkannte –, »müsstet geruhen, hier vor mir das Experiment zu wiederholen, von dem mein Freund Sinibaldus mir so voller Bewunderung berichtete …«
»Nichts leichter als das«, erwiderte Blauenstein, dem dieser Wunsch durchaus nicht ungelegen kam, im Gegenteil, er war froh, zur Sache zu schreiten. »Mit Vergnügen & mit höchstem Respekt für … jene Person werde ich mein geringes Wissen zur Verfügung stellen.«
»Unser Labor hält, so meine ich, alles bereit, das Ihr benötigt …«
Und da der Alchimist sich dem riesigen gusseisernen, mit lauter Retorten bestückten Ofen zuwandte, der im Mittelpunkt des Raumes bullerte:
»Dieser von mir selbst ersonnene Ofen beinhaltet sechsundsechzig einzelne Tiegel, doch wie Ihr seht, sind sie sämtlich zur Herstellung von Arzneien in Betrieb. Verwendet also diesen hier, den ich bei meinen chemischen Experimenten benutze. Was die Zutaten angeht, so befehlt; mein Assistent wird sie Euch mit Freuden beschaffen.«
Blauenstein warf sich in die Brust. Nie war er seiner Sache so gewiss wie bei dieser Tätigkeit; majestätisch setzte er den Ofen in Betrieb & zählte die Produkte auf, deren er bedurfte:
»Rubinschwefel, fünf Unzen; Rotzinnober, fünf Unzen; Schwefel, eineinhalb Unzen, & dieselbe Menge an Salpeter & turkestanischem Salz; das Doppelte davon an Quecksilber & Auripigment …«
Athanasius & Sinibaldus beobachteten, wie der Alchimist all diese Substanzen in den Tiegel gab, in der Reihenfolge, wie ich sie ihm anrichtete, nachdem ich sie seinen Angaben gemäß sorgsam gewogen & vorbereitet hatte. Als die Mischung bereitet war & zu köcheln begann, öffnete Blauenstein ein mitgebrachtes Köfferchen & entnahm ihm einen langen Löffel aus Jade sowie eine Phiole mit einer durchscheinenden Flüssigkeit.
»In diesem Flakon befindet sich der Rest eines Elixiers, das ich einst in China hergestellt habe. Seine Kraft ist dergestalt, dass ein einziger Tropfen, einer geeigneten Zubereitung beigegeben, allsogleich die Transmutation bewirkt.«
»Und dieser prunkvolle Gegenstand?« Mein Meister schien den Jadelöffel in Augenschein nehmen zu wollen.
»Der hat auf den Prozess keinerlei Einfluss«, erklärte der Alchimist und reichte ihn Kircher gnädigst, »er ist ein Geschenk meines Schwagers selig, des ›Großen Kaiserlichen Arztes‹. Ich benutze ihn nur zu seinem Angedenken & um die ihm innewohnenden förderlichen Eigenschaften zu nutzen.«
»Wenn dem so ist«, Athanasius streichelte gedankenverloren die Oberfläche des Jadelöffels, »dann werdet Ihr, so nehme ich an, keinerlei Nachteil darin sehen, einen meiner eigenen Löffel zu verwenden. Dieser hier, schaut, wurde von … jener Person, von der wir vorhin sprachen, entworfen, & ich kann Euch versichern, dass sie geschmeichelt sein wird zu erfahren, wenn sie, & sei es auch nur ein klein wenig, zur Verwirklichung des Großen Werkes beigetragen hat.«
Niemals je hatte sich eine Mimik so rasch gewandelt; binnen Sekunden waren die typische Zuvorkommenheit und Selbstgewissheit aus Blauensteins Gesicht gewichen. Stumm starrte er Kircher an, so wütend & misstrauisch wie eine in der Falle sitzende Ratte, während mein Meister den Blick auf jenes Instrument gesenkt hielt, das dem Alchimisten so unentbehrlich schien …
»Ihr werdet mich
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