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Wo Tiger zu Hause sind

Wo Tiger zu Hause sind

Titel: Wo Tiger zu Hause sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Marie Blas de Roblès
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in keiner Sprache einen Namen gibt! Tertullian, zitiert von Bossuet: Lagarde und Michard, 17 . Jahrhundert, Seite 267  …«
    »Was meint er?«, fragte Thaïs.
    »Zu lang, um das jetzt zu erklären,«, lachte Roetgen. »Kurz gesagt, wir wechseln das Lokal.«
     
    Von Moéma und Xavier aufgehalten, die sich wie Kleinkinder von jeder bunten Kleinigkeit am Meeresufer ablenken ließen oder sich über irgendwelche Nichtigkeiten halb tot lachten, kamen sie erst gegen neun Uhr abends im Clube Náutico an. Das protzige, rosa gestrichene Gebäude wimmelte von Leuten, um das riesige Schwimmbad, in dem gerade das Finale des Wettkampfs stattfand, herrschte ein Mordslärm. Ein Stück abseits, unterm Flutlicht, planierten einige alte Schwarze mit Walzen das rote Spielfeld.
    Moéma wollte unbedingt tanzen.
    »Treibt’s nicht zu wild!«, bat Roetgen kleinlaut, als sie Xavier zur Musik hin zog, »hier sind Leute, die mich kennen.«
    »Versprochen!«, rief Moéma so, dass man alles andere glaubte als das.
    »Besser, wir gehen mit«, riet Thaïs.
    Sie landeten an einem kleinen Tisch, von dem aus man die Tanzfläche im Auge behalten konnte. Roetgen bestellte jede Menge Häppchen, eine Flasche Wodka und Orangensaft.
    Nach dem zweiten Glas ging ihnen allen das Bewusstsein für die Reihenfolge der Ereignisse verloren. Sicher war nur, dass sie irgendwann alle vier auf Xaviers Weiterreise anstießen, dass Roetgen, sturztrunken, Thaïs eine Liebeserklärung machte, und sie viel später schließlich bemerkten, dass sie nur noch zu dritt waren.
     
    Sie lag ganz am Ende eines Seestegs, dessen Metallpfosten weit ins Meer hinausführten, und blickte in den Himmel. Unter der Wirkung der Droge dröhnte das Meer maßlos laut und ließ die Konstruktion erzittern, die Moéma unter sich wogen spürte wie das Rückgrat eines wollüstigen Tigers. Das Kreuz des Südens schimmerte auf einmal quer über den Himmel, kam dann näher heran und zog sämtliche Sternbilder des Tierkreises hinter sich her. Moéma wurde von Angst gepackt und ging Richtung Land. Der Meereswind peitschte sie mit Sternen.
    Den Metallstäben ausweichen, nicht in die Lücken treten, in denen der Ozean kochte, aus diesem Bild voller Fallen herauskommen … Thaïs und die anderen tanzten wahrscheinlich immer noch in diesem beschissenen Club …
Náutico Atlético Cearense
 … Von wegen Athleten! Roetgen hatte sich ein für alle Mal von ihr gelöst. Sie hatte gehört, wie er Thaïs angeschmachtet hatte … Der
Professor
 … Als hätte er sie mit Wörtern geknutscht. Es wäre nicht weiter tragisch, hätte sie nicht in Thaïs’ Augen die Hingabe gesehen, die bislang ihrer beider Zusammensein vorbehalten war … Ganz anders, als wenn sie zu dritt miteinander schliefen. Sollten sie tanzen und vögeln bis zum Krepieren! Ihr war jetzt alles egal. War es das, was mit »am Boden sein« gemeint ist? Wollen und nicht mehr wollen; sterben und nicht sterben? Ihr fehlte das Geländer einer klaren, unmittelbaren Wahrnehmung der Äußerlichkeiten. Dies permanente Misstrauen, diese Unfähigkeit, die Dinge beim Wort zu nehmen, sondern immer noch andere Verständnisebenen zu unterstellen! Wenn man eine Tür öffnete, war da noch eine, und dann abermals eine, eine unendliche Reihe von Türen, die die heitere Übereinstimmung eines Dings mit seinem Namen immer weiter wegschob. Jäh war sie überzeugt, dass ein Indio sich nicht auf diese Weise selbst beim Denken zusah, dass er eine Tür öffnete, eine einzige, und das Ding anschaute, nackt und bloß, ohne neuen Pelz, den man erst abpulen musste. Was hatte Aynoré anderes getan, als ihren Blick hierfür zu schärfen? Cooler sein … das akzeptieren, was kein Gesetz verbot … Solange das Handeln des Einzelnen die Weltordnung nicht in Gefahr brachte, war es ihm erlaubt: Warum sollte sich das moralische Laissez-faire der Stämme Amazoniens nicht auf diese Gesellschaft übertragen lassen? So wie man hier die Liebe erlebte, voller Leiden, Eifersucht und Ressentiment, war sie immer so ein jüdisch-christliches Melodram, so sinnentleert wie die romantische Bewunderung für Ruinen oder die Patina der Statuen …
    Wieder auf der um diese späte Stunde menschenleeren Strandpromenade, marschierte Moéma mit ausgreifenden Schritten im goldgelben Licht der Straßenlaternen. Hier und da gingen die Ratten auf dem Bürgersteig ihren Geschäften nach und wichen kaum aus, wenn sie ankam.
    Sequoias säen … Einhergehen, die Taschen voller Samen, dreinblicken,

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