Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wo Tiger zu Hause sind

Wo Tiger zu Hause sind

Titel: Wo Tiger zu Hause sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Marie Blas de Roblès
Vom Netzwerk:
sich wieder in seine Hängematte und fuhr, sich beides an die Nase drückend, in seinen Phantasien fort.
    »Ich werd mich noch besser daran erinnern, versprochen …«
    »Und was hast du dann gemacht?«
    »Ich hab sie versorgt, so gut ich konnte, und dann hab ich ihr beim Schlafen zugesehen. Als sie aufgewacht ist, hab ich ihr gezeigt, wo sie sich waschen kann. Hab ihr gesagt, sie soll sich die blauen Flecken mit Salbe einreiben, dass ich das gern für sie gemacht hätte, aber aus Respekt, also, Sie verstehen … Und keine Chance, ihr auch nur ein Wörtchen zu entlocken, sie hat durch mich durchgeschaut, als ob ich ein Schaufenster wäre oder sonst eine Glasscheibe. Da hab ich begriffen, sie hatte den
Encosto
, sie war besessen, krank … Ich hab sogar gedacht, sie hat ihr Leben lang noch nicht gesprochen … Also hab ich für zwei geredet, hab Fragen gestellt und die Antwort gleich mit gegeben, hab ihr alle Geschichten erzählt, die ich ihr versprochen hatte … Denn darum, da bin ich sicher, darum war sie mitgekommen. Wie heißt du, Prinzessin? Wo liegt dein Königreich? Und so Sachen … Sie hat die Augen aufgemacht, und dann ist sie wieder eingeschlafen. Es müssen gleich mehrere gewesen sein, die sie rangenommen haben …«
    »Ach ja? Und warum hast du die Polizei nicht geholt?«
    »Nichts für ungut, Comandante, aber je weniger man von der Polizei sieht, umso besser geht es einem, wie es so schön heißt. Außerdem wären die sowieso nicht gekommen, sind doch alles Arschficker … (Diesmal würde er sich rechtzeitig ducken, so dass die Ohrfeige über ihm ins Leere ginge!) Ich hab wen den Onkel Zé anrufen lassen, aus einer Kabine. Ein Glück, dass er gerade im Lager war. Ich kann erst morgen Abend vorbeikommen, hat er gesagt, ich hab eine Lieferung für João Pessoa. Kümmer dich so lange gut um sie … Also bin ich fix wieder nach Hause, hintenrum, da geht es schneller. Und da hab ich gesehen, dass sie dabei war, sich zu waschen: Ihr Arm schaute raus, wenn sie im Fass Wasser schöpfte … Durch die Paletten kann man so ungefähr sehen, was los ist …«
    »Du hast sie angeglotzt, du Ferkel …«
    »Gar nicht, Senhor. Das war anders als vorher … Ich hab sie gesehen und nicht gesehen … Kann ich Ihnen nicht richtig erklären. Sie hat gar nicht mehr aufgehört, sich zu schrubben, hat auf nichts mehr geachtet … Aber ich hab kaum was gesehen, und reinsehen hab ich auch nicht gekonnt, wegen dem Vorhang. Sie sollte auch nicht denken, dass ich sie beobachtet hab …«
    »Aber einen Ständer hast du doch gekriegt, was?«
    Ah, aber jetzt nahm er sein Springmesser und schlitzte dem Arschloch den Bauch auf, von unten nach oben! So was durfte der nicht sagen … Ehrlich gesagt, hat es schon was mit ihm gemacht, sie so zu sehen. Aber nicht so wie nach dem Flugzeug-Unglück. Er hatte sich als Mann gefühlt, wie sollte er sagen, als ein Mann, der sich beherrscht … Zé hatte ihm erzählt, dass ihm das mal vor einer Statue der Heiligen Jungfrau passiert war. So was in der Art gab es eben. Gefühle, ja … He, Scheiße! Das Gedärm von dem Bullen in seiner Hängematte, da konnte er ja gar nicht richtig nachdenken … Dieser Scheiß Tote brauchte zu viel Platz … Musste ihn wieder aufrichten, mit dem Messer im Bauch, als ob nichts wäre …
    »Na, wie du meinst. Aber irgendwann war sie ja wohl fertiggewaschen, deine Madonna, oder?«
    »Ja, aber ich hab noch gewartet. Sogar ganz schön lange, damit sie sich noch hat anziehen können und ich nicht so tun muss, als ob nichts wäre … Nicht wahr? Als ich dann reingegangen bin, hat sie wieder gelegen. Alles wie vorher, nur dass sie jetzt so gut gerochen hat,
meu Deus
! Wie ein blitzsauberes Baby, und dann die Arnikasalbe … Aber sie war immer noch nicht ganz runter, sie hat mich nicht gesehen … Also hab ich weiter mit ihr geredet, bis abends … Und irgendwann auf einmal antwortet sie und sagt: Moéma … Noch viel schöner als Alzira oder Theodora. Erinnern hat sie sich an fast nichts können. Ich hab ihr erzählt, was ich wusste, wie ich sie gefunden hatte, und alles, was ich Ihnen erzählt hab. Aber sie war noch ganz zu. Sie wollte einfach dableiben. Hatte Angst rauszugehen, Angst, dass jemand sie findet … Wie ein geschlagenes Tier. Ich sollte einfach erzählen … Also hab ich erzählt. Wie mein Vater umgekommen ist, in ein Stück Gleis geschmolzen, wie ich für den Rollstuhl spare, ich hab ihr sogar das Versteck gezeigt, damit sie weiß,

Weitere Kostenlose Bücher